Brandzeichen

Strategien gegen den Fachkräftemangel

Seit Jahrzehnten wiederholt sich Monat für Monat das gleiche Szenario: In der Nürnberger Zentrale stellt der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit die neuesten Zahlen zur „Entwicklung des Arbeits- und Ausbildungsmarktes“ vor. Eine Heerschar Journalisten pickt sich die wichtigste Information – um wie viel ist die Zahl der Arbeitslosen gestiegen oder gesunken? – heraus und innerhalb von fünf Minuten vermelden die Medien der Republik die neue Wasserstandsmeldung. Ein ausführlicher Bericht in sämtlichen Abendnachrichten ist garantiert. Das war schon so, als die Bundesagentur noch Bundesanstalt hieß und keine Vorstandsvorsitzenden, sondern Präsidenten hatte, die auf Namen wie Jagoda, Franke oder Stingl hörten. Und es wird auch noch eine Weile so bleiben. Die Frage ist nur: Wie lange noch?

Lea Heuchtkötter
2024-01-26
WCG GmbH & Co.KG

Die demografische Entwicklung in unserem Lande legt den Schluss nahe, dass das monatliche Schaulaufen des Bundesagenturchefs bald überflüssig wird. Leider wird dafür nicht nur das Zauberwort „Vollbeschäftigung“ verantwortlich sein, sondern vor allem ein Schreckgespenst namens Fachkräftemangel. Sieht man sich die demografischen Zahlen für die Bundesrepublik an, könnte daraus in einigen Jahren sogar ein genereller Arbeitskräftemangel werden: Die jüngste OECD-Studie weist für unser Land eine Geburtenrate von statistischen 1,36 Kindern pro Frau auf. Bleibt diese stabil und wandern zudem keine Arbeitskräfte aus anderen Ländern zu, schrumpft die Bevölkerung bis zum Jahr 2050 um 17 Millionen Menschen. Von den verbliebenen 64 Millionen Deutschen werden 57 Prozent Kinder, Rentner, Hausfrauen/-Männer und Kranke sein. Um die dann knapp 28 Millionen Arbeitsfähigen werden die Arbeitgeber hierzulande buhlen müssen. Dass Konzerne mit strahlenden Marken und internationalen Karrieremöglichkeiten bei diesem Wettbewerb einige natürliche Vorteile gegenüber dem Mittelstand haben, liegt auf der Hand.

Der Wille und die Wege

Das ist vielen mittelständischen Unternehmern und Unternehmenslenkern heute schon klar, denn sie spüren den Fachkräftemangel bereits jetzt. Der Deutsche Industrie und Handelskammertag schätzt, dass aufgrund der guten Konjunktur kleine und mittlere Unternehmen dieses Jahr bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze schaffen könnten. 86 Prozent der Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten wollen zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Der Wille ist also da – nur das Personal ist schwer zu bekommen. Mit der Schaltung einer Stellenanzeige kommen die wenigsten heute noch an gute Leute. Dies gilt verschärft für kleinere Unternehmen an provinziellen Standorten. Daher beschreiten immer mehr Mittelständler neue Wege, um gutes Personal anzuziehen. Und da Not bekanntlich erfinderisch macht, werden sie dabei mitunter sehr kreativ:

Strategie 1: Weiterbildungsprogramme

Die Grün Software AG ist ein IT-Dienstleister mit derzeit 70 Mitarbeitern. Das Aachener Unternehmen ist ständig auf der Suche nach qualifizierten Informatikern, die theoretisches und praktisches Wissen mitbringen – und konkurriert dabei mit großen Konzernen wie IBM. Da der Mittelständler nicht mit deren Einstiegsgehältern mithalten kann, stellt er gegenüber potenziellen Bewerbern seine Weiterbildungsprogramme heraus. Seit einigen Jahren ermöglicht das Unternehmen beispielsweise seinen Mitarbeitern ein duales Masterstudium in Kooperation mit der Europäischen Fachhochschule in Brühl. Auch wird Firmengründer Oliver Grün, der zugleich Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes IT-Mittelstand ist, nicht müde, die guten Karrierechancen im Mittelstand zu betonen: „Wer wirklich gut ist, fällt bei uns schneller auf als in einem Konzern und kann entsprechend aufsteigen. Langfristig verdient man daher auch nicht schlechter als in einem Konzern. Der Weg zum Topgehalt verläuft einfach anders.“

Strategie 2: Umzug in die Stadt

Grohe ist eine echte Marke im Bereich Badezimmerarmaturen. Dennoch hatte das Unternehmen große Probleme, genügend qualifizierte Leute anzuziehen. Hauptursache dafür war der provinzielle Standort: Für Topkräfte war das beschauliche Städtchen Hemer mitten im Sauerland schlichtweg unattraktiv. Ein Unternehmen wie Grohe lebt nicht zuletzt vom ansprechenden Design seiner Produkte. Für gutes Design braucht man gute Designer – und gerade diese konnte man nicht nach Hemer locken.

Eine Lösung musste her. So zog man vor vier Jahren mit der Verwaltung in die Landeshauptstadt Düsseldorf und beließ nur noch die Produktion am Stammsitz. Heute resümiert Personalvorstand Detlef Spigiel: „Der Umzug hat sich für uns voll bezahlt gemacht. Seit wir hier sind, haben wir mehr und besser qualifizierte Bewerber. Die Stadt wirkt vor allem bei Akademikern und Ausländern.“ Neben Deutschen sind heute Amerikaner, Engländer und Schotten im Grohe-Management tätig. Sie alle kamen nach dem Umzug. Und das Design-Team in Düsseldorf besteht aus 14 international erfahrenen Leuten, darunter Brasilianer, Engländer, Franzosen, Italiener und Koreaner.

Strategie 3: Regionale Zusammenarbeit

Kaum eine Region verfügt über eine vergleichbar exklusive Kombination aus wirtschaftlicher Potenz und unverbrauchter Umwelt wie Ostwestfalen-Lippe (OWL). Auf dem Weltmarkt führende Firmen wie Miele, Schüco, Bertelsmann, Dr.Oetker oder Phoenix Contact sind hier im großstädtischen Grün zuhause. Aber im Wettbewerb um qualifiziertes Personal steht die Region OWL nicht oben auf der Liste potenzieller Bewerber. Nun sind Firmen wie Schüco International, führend in der Entwicklung von Fenster-, Fassaden- und zukunftsweisenden Solarsystemen, oder Phoenix Contact, weltweiter Marktführer in der elektronischen Interface- und industriellen Automatisierungstechnik, auf hochqualifiziertes Personal angewiesen. Um Innovationsgrad und Produktivität auch in Zeiten des Fachkräftemangels hochhalten zu können, haben daher Schüco, Phoenix Contact und die itelligence AG gemeinsam die Initiative Powerbrands OWL ins Leben gerufen. Mit ihr will man bundesweit und auch darüber hinaus auf die Top-Arbeitgeber und auf die hervorragende Lebensqualität in der Region aufmerksam machen: Kurze Wege ohne Stau, erschwingliche Grundstücks- und Immobilienpreise, eine wunderschöne Natur und ein hoher Familien- und Freizeitwert

Strategie 4: Eigene Hochschule

Noch einen Schritt weiter sind 84 Unternehmen im 35.000 Einwohner zählenden Tuttlingen gegangen: Sie finanzieren eine eigene Hochschule vor Ort. Die Unternehmen, darunter Weltmarktführer wie der Endoskopiegerätehersteller Karl Storz oder der Klimatechnikspezialist Binder, wollten einfach nicht mehr tatenlos zusehen, wie zwei Drittel der Abiturienten die schwäbische Stadt verlassen und nicht mehr zurückkehren.

In Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg, der Stadt und dem Landkreis Tuttlingen entstand so ein einmaliges Konzept von privat-öffentlicher Partnerschaft: Die Kommune stellt die Gebäude, das Land bezuschusst jeden Studienplatz mit 8.500 Euro und die Unternehmen tragen die Ausstattung und den jährlichen Betrieb mit bis zu 2,5 Millionen Euro. Der Studienbetrieb läuft seit dem Wintersemester 2009. Derzeit sind 230 Studenten gemeldet, langfristig ist die Hochschule auf bis zu 800 Studenten ausgelegt. Die Unternehmen sind an der Professorenauswahl und an den Lehrplänen beteiligt und lassen die Studenten in ihren Laboreinrichtungen lernen und forschen, bieten Praktika und Praxissemester an und versuchen, die größten Talente so frühzeitig an sich zu binden.

Strategie 5: Beteiligung an Wettbewerben

Egal, womit ein Unternehmen bei seinen jetzigen und zukünftigen Mitarbeitern punkten möchte – sei es mit dem firmeneigenen Kindergarten oder Fitnessstudio, mit exzellentem und dabei günstigem Essen in der Kantine, mit flexiblen Arbeitszeiten, Sabbaticals, spezieller Frauenförderung, Kinderbetreuung während der Schulferien oder kostenlosen Rückenmassagen – die Beteiligung an Arbeitgeber-Wettbewerben, wie es sie mittlerweile sehr zahlreich gibt, ist immer eine gute Möglichkeit, um zusätzlich auf sich als potenziellen Arbeitgeber aufmerksam zu machen. Die Teilnahme ist oft kostenlos und die Medienpräsenz hoch. Und es ist immer glaubwürdiger, wenn eine unabhängige Kommission die eigenen Vorzüge als Arbeitgeber herausstellt, als wenn man sie selbst kommuniziert.

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