

Sauber, leise und vollautomatisch – so könnte man sich das zukünftige Leben in Städten vorstellen. Das klingt für die meisten wie Zukunftsmusik. Kaum vorstellbar, dass wir schon in absehbarer Zeit in intelligent vernetzten urbanen Räumen leben könnten. Doch in allzu ferner Zukunft ist das alles nicht. Es gibt sie schon – die Smart City. Beispielsweise Songdo City in Südkorea, Masdar in Abu Dhabi oder PlanIT Valley in Portugal sind Prototypen für die Stadt der Zukunft.
Eines vorweg: Es gibt – zumindest in Deutschland – keinen konkreten Smart City Plan. Niemand weiß heute bereits, wie Berlin, Hamburg, Köln oder München in zehn oder zwanzig Jahren aussehen werden.
Niemand kann sagen, wie wir uns durch die Städte bewegen werden, wie sehr digitale Abläufe unseren Alltag bestimmen werden. Doch es gibt durchaus Visionen, wie es sein könnte. Und es gibt zahlreiche Initiativen und Projekte, die Lösungen in den unterschiedlichsten Bereichen entwickeln, welche am Ende dann vielleicht in ihrer Gesamtheit als intelligent vernetzte Stadt oder Smart City bezeichnet werden können. Zu diesen Initiativen gehören neben anderen das vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) gegründete Cluster, das zum Ziel hat, eine „Smart City Charta für Deutschland“ zu erarbeiten, und Fraunhofer FOKUS, das an zahlreichen Aspekten der vernetzten Welt forscht und Technologien entwickelt, die das Institut als Rückgrat der zukünftigen Stadt bezeichnet.
Die größten technologischen Herausforderungen, denen sich Städte in Zukunft noch verstärkt stellen müssen, können in den drei Punkten Energie, Verkehr und Datenmanagement zusammengefasst werden. Ina Schieferdecker, die Leiterin von Fraunhofer Fokus, sagte dazu in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Städte sind die größten Verbraucher von Ressourcen, haben aber auch das größte Optimierungspotenzial.“ Hierfür sind intelligente Informations- und Kommunikationstechnologien (ITK) und hochwertige Softwarearchitekturen die Basis. Sie sollen dabei helfen, Ressourcen sinnvoll zu nutzen, Risiken einzuschätzen, eventuelle Katastrophen verlässlich zu managen und insbesondere bereits bestehende Infrastrukturen noch effizienter zu nutzen. So soll die Lebensqualität der Menschen in den Städten in vielerlei Hinsicht verbessert werden.
Wie eine solche Smart City konkret aussehen könnte, hat jüngst der Elektronik-Konzern Panasonic auf der diesjährigen Consumer Electronics Show in Las Vegas gezeigt. Bereits voriges Jahr hat das Unternehmen zusammen mit dem Bürgermeister von Denver ein Projekt vorgestellt, das die vernetzte Stadt für die Besucher greifbar machte: Peña Station Next. Hier wurde auf einem rund 1,6 Quadratkilometer großen Gebiet mit CityNOW ein Areal geschaffen, auf dem smartes Wohnen und Arbeiten getestet wird. Dazu installierte Panasonic zum Beispiel smarte Straßenlaternen, die den Grad ihrer Helligkeit an das vorhandene Tageslicht anpassen. Außerdem wird an einem intelligenten Stromnetz, einem Smart Grid, gebaut, in dem sämtliche Stromerzeuger, Speicher und Verbraucher vernetzt sind. Alle Bestandteile des Netzes können so überwacht, gesteuert und optimiert werden. Noch in diesem Frühjahr sollen in der CityNOW erstmals autonome Shuttlefahrzeuge fahren und die Peña Station mit den Buslinien an der Tower Road verbinden.
Mehr als die Hälfte aller Kommunen in Deutschland bietet keine der fünf Leistungen online an.
Im März 2017 veröffentlichte das Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) am Fraunhofer-Institut FOKUS den Deutschland-Index der Digitalisierung 2017. Die Forscher haben anhand von rund 90 Indikatoren wie der Mobilfunkabdeckung, Patentanmeldungen oder den elektronischen Behördenkontakten die Digitalisierung auf Länderebene dargestellt. Dafür betrachteten sie fünf Kategorien: digitale Infrastruktur und Versorgung, Nutzung digitaler Angebote und Technologien im Alltag, Wirtschaft und Forschung, digitale Verwaltung und digitale Bildung.
Zum Teil offenbaren die Ergebnisse erheblichen Nachholbedarf. Mehr als die Hälfte aller Kommunen in Deutschland bietet keine der fünf Leistungen online an. Im Ländervergleich der kommunalen Angebote belegen die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen die vorderen Plätze. Nordrhein-Westfalen schneidet bei den Flächenländern am besten ab. Neben der geringen Umsetzung von digitalen Angeboten in der Verwaltung ist auch ein Fachkräftemangel im IT-Bereich zu beobachten – trotz hoher Studierendenzahlen, zahlreicher Start-ups und guter Verdienstmöglichkeiten.
„Die Smart City existiert – trotz aller Technik – nicht, solange sie es nicht schafft, die Intelligenz ihrer Einwohner einzubeziehen.“
Bei den Unternehmen haben in Deutschland vor allem die Dienstleister in Sachen Digitalisierung die Nase vorn. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Demnach nutzen im Vergleich mehr Dienstleister moderne digitale Technologien als das produzierende Gewerbe. Die Untersuchung besagt, „dass nur 7 Prozent der Produzenten, aber fast 20 Prozent der Dienstleister in Deutschland die Nutzung moderner digitaler Technologien als zentralen Bestandteil ihres Geschäftsmodells betrachten. 30 Prozent der Produzenten und 34 Prozent der Dienstleister nutzen darüber hinaus solche Technologien bereits heute.“
Auch beim Thema Smart City sind privatwirtschaftliche Unternehmen die großen Technologie-Treiber. „Städte sind natürlich nicht nur untereinander vernetzt, sondern selbst hochvernetzte, komplexe und dynamische Gebilde. Von Industrie 4.0 über intelligente City-Logistik bis hin zur Smart City ist die technologische Entwicklung einer Stadt ein innovatives Feld voller unternehmerischer Möglichkeiten und Experimentierräume. Unternehmen sind Teil dieser Entwicklung und können sie proaktiv vorantreiben und mitgestalten“, heißt es in der vom Zukunftsinstitut herausgegebenen Studie „Futopolis. Stadt.Land.Zukunft“.
Bei den meisten Konzepten, die sich mit der Stadt der Zukunft auseinandersetzen, werden zwar ausgefeilte technologische Lösungen entwickelt, aber der Mensch wird nicht in die Überlegungen mit einbezogen. Das meint auch die US-amerikanische Soziologin Saskia Sassen. In einem Interview mit dem Zukunftsinstitut sagt die Professorin: „In meiner Analyse der Smart City argumentiere ich gerne, dass die Smart City – trotz aller Technik – nicht existiert, solange sie es nicht schafft, die Intelligenz ihrer Einwohner einzubeziehen, und zwar wirklich aller Einwohner einer Stadt. Dies wird oftmals bei den Diskussionen zur Smart City übergangen.“
Im Rahmen der Stadtplanung kann in Zukunft vermehrt auf Big Data zurückgegriffen werden. Durch das Auslesen von Bewegungsmustern eröffnet sich etwa die Möglichkeit, infrastrukturelle Herausforderungen besser und flexibler zu strukturieren. Die seit dem wirtschaftlichen Strukturwandel in der Automobilindustrie stark gebeutelte Stadt Detroit zum Beispiel setzt bereits heute neue Impulse in der Stadtentwicklung mithilfe von Big Data. Data-Driven Detroit (D3) liest hierfür gemeinsam mit Community Development Advocates of Detroit (CDAD) Datensätze aus, die das Verhalten der Städter abbilden. Daraus resultieren interaktive und öffentlich zugängliche Karten, die es der Stadtverwaltung, aber auch Investoren sowie kulturellen und sozialen Projekten ermöglichen, nicht nur die Entwicklung einzelner Stadtquartiere nachzuvollziehen, sondern konkrete Defizite, Überangebote und daraus resultierende Bedürfnisse der Bewohner abzuleiten (datadrivendetroit.org).
Natürlich sind solche Entwicklungen nicht frei von Kritik. Schließlich werfen die Digitalisierung des öffentlichen Raums und das Auslesen von Bewegungsströmen auch datenschutzrechtliche Fragen auf. Kritiker sehen darin ein Eindringen in die Privatsphäre und befürchten, dass über Datenerhebungen das eigene Verhalten nicht nur ausgelesen, sondern auch beeinflusst werden kann.
Schließlich werfen die Digitalisierung des öffentlichen Raums und das Auslesen von Bewegungsströmen auch datenschutzrechtliche Fragen auf.
Schon heute ist das sogenannte Internet of Things (IoT) in der Anwendung bei Unternehmen und Privatpersonen verbreitet. Auch die Stadt der Zukunft wird auf zahlreichen IoT-Anwendungen aufbauen, etwa bei der Straßenbeleuchtung. Einer der Vorreiter ist hier das Unternehmen Philips. Dessen vernetzte Beleuchtungssysteme sollen dabei helfen, Beleuchtung zum Kernelement moderner Stadt- entwicklung zu machen. Öffentliche Beleuchtung funktioniere dann stabil, wenn sie „flexibel, reaktionsschnell und ganzheitlich ist – wenn sie also vernetzt und intelligent arbeitet“, heißt es aus dem Unternehmen. Dabei soll nicht nur das Leben der Menschen in der Stadt angenehmer gemacht werden, eine smarte Beleuchtung mit flexiblen, effizienten und intelligenten Arbeitsabläufen wirkt sich auch positiv auf die Umwelt aus. So kann der Energieverbrauch reduziert, Wartungsabläufe optimiert und somit Kosten deutlich verringert werden.
Auch im Bereich der Mobilität ist das Internet der Dinge bereits weit entwickelt. Das fängt beim Connected Car an und geht bis zu komplett softwaredefiniertem Verkehr. Störfälle könnten so in Zukunft verhindert und auch Staus durchaus reduziert werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden autonom fahrende und miteinander kommunizierende Autos das Bild der Smart City mitprägen.
Natürlich hat jeder technische und gesellschaftliche Fortschritt auch seine Gegner und Kritiker. Manche sehen die Digitalisierung und das Voranschreiten von Technologien auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) als bald erreichbare Utopie mit enormen Chancen an. Für andere wiederum ist sie das Gegenteil – eine Dystopie, die mit Gefahren für die Privatsphäre einhergeht und im schlimmsten Fall in der Versklavung der Menschheit oder gar deren Ende mündet.
Einer der wohl bekanntesten Kritiker war der Astrophysiker Stephen Hawking. Erst kürzlich beim Web Summit 2017 warnte der Wissenschaftler davor, das Aufkommen der künstlichen Intelligenz könnte das schlimmste Ereignis der Menschheitsgeschichte sein, wenn sie nicht entsprechend kontrolliert wird. Theoretisch könnten Computer eines Tages der menschlichen Intelligenz nacheifern und sie übertreffen.
Dann wäre es nur einen Schritt davon entfernt, dass Maschinen oder Roboter beginnen, für das Überleben der Spezies Mensch Sorge zu tragen. Auch durchaus fortschrittsaffine Personen wie Elon Musk oder Bill Gates beobachten die Entwicklungen kritisch. Es gibt aber auch weit optimistischere Stimmen zum Einsatz künstlicher Intelligenz. So sieht etwa der ehemalige Schachweltmeister Kasparow keine Bedrohung für die Menschheit in KI. Und er muss es wissen, schließlich hat ihn 1996 zum ersten Mal ein Schachcomputer besiegen können. Wie bei allem gilt bei der Weiterentwicklung von Anwendungsmöglichkeiten für KI- und IoT-Technologien immer der Grundsatz eines verantwortungsvollen Umganges mit der Technik. Letztendlich stellen nicht die Wissenschaft, die Maschinen oder Roboter eine Gefahr für den Menschen dar, sondern der Mensch selbst.