

Man kann getrost von einem „KI-Hype“ sprechen, wenn man sich anschaut, was hier im Bereich der Industrie passiert. Dabei ist das Thema künstliche Intelligenz als wissenschaftliches Fachgebiet nichts Neues. Bereits seit Mitte der 1950er Jahre wird hieran geforscht. Doch erst heute werden erste Anwendungen im kommerziellen Bereich genutzt, weil es damals einfach nicht die Computer gab, die über ausreichend Leistungsfähigkeit verfügen, die viele KI-Technologien benötigen. Dafür wächst der Markt nun umso rasanter. Sogenannte Smart Machines etwa haben ein jährliches Marktwachstum von 15 Prozent, und immer mehr Unternehmen integrieren KITechnologien in ihre Prozesse.
Einer Studie der Unternehmensberatung Sopra Steria Consulting aus dem Jahr 2017 zufolge, setzt bereits heute fast jedes zweite Unternehmen KI-Technologien in verschiedenen Unternehmensbereichen ein. Weitere 40 Prozent der befragten Unternehmen planen, diese neuen Technologien in Zukunft zu nutzen. Der Bereich, in dem der Einfluss künstlicher Intelligenz insgesamt am größten ist, soll laut der Studie die Beschaffung sein. Zwei Drittel der Unternehmen, die bereits selbstlernende Software in diesem Bereich einsetzen, berichteten vor allem von Verbesserungen bei der Qualität und den Steuerungsmöglichkeiten der Prozesse.
Auch wenn der Einsatz von KI voranschreitet, fehlt es zu großen Teilen an einer umfassenden Unternehmensstrategie zur Industrie 4.0. Es besteht die Gefahr, dass statt des Anstoßes eines umfassenden Transformationsprozesses nur einzelne Bereiche angegangen und lediglich Insellösungen geschaffen werden. In ihrem Fachbeitrag „Industrie 4.0 – Vorgehensmodell für die Einführung“ im Buch „Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0“ schreibt die Industrie 4.0 Expertin Sandra Lucia Merz hierzu:
„Natürlich können und sollen Unternehmen auch darüber nachdenken, mit welchen Software-Produkten sie zum Beispiel ihre Schnittstellen im Produkt-Engineering oder in der Produktion optimieren können. Ohne eine ganzheitlich strategische Analyse und Zieldefinition
bleiben solche Aktionen letztlich aber rein punktuell wirkende Einzelmaßnahmen. Die Kraft von
Industrie 4.0 hingegen liegt in der ganzheitlichen Durchführung verschiedener, gemeinsam wirkender
Maßnahmen, die auf ein ganz konkretes Ziel ausgerichtet sind.“
Wir sind heute technisch soweit, viele Dinge umzusetzen, an denen bereits seit Jahrzehnten geforscht wird, jedoch fehlt es oftmals einfach an einer Vision, die Antworten darauf liefert, warum wir unsere Prozesse digitalisieren und künstliche Intelligenz einsetzen wollen. Schaut man sich die Ergebnisse vorab genannter Studie einmal genauer an, so sieht man, dass der Einfluss von KI vor allen Dingen in der Kostenreduktion gesehen wird.
Dass im Rahmen der Digitalisierung aber auch eine Änderung des Mindsets nötig ist, wird oft übersehen. Das bestätigen auch Experten wie Siemens-CTO Digital Factory Division Dr. Bernhard Quendt, der in einem Interview gegenüber der Fachzeitschrift „Produktion“ erklärte: „Nicht zu unterschätzen ist die Tatsache, dass KI-Techniken oft eine andere Herangehensweise benötigen, als wir sie traditionell gewöhnt sind. Hier kann nicht früh genug damit begonnen werden, in entsprechende Weiterbildung zu investieren und die neuen Techniken schrittweise einzuführen.
Nicht nur Maschinen im Shopfloor werden smarter – auch Unternehmensbereiche wie Marketing, Sales oder der Kundenservice könnten in Zukunft stark von künstlicher Intelligenz profitieren. Um genau zu sein, tun das bereits heute zahlreiche Unternehmen. Eines davon ist der Online-Handelsriese Amazon. Bei jeder virtuellen Shoppingtour bei Amazon werden Daten gesammelt, die Rückschlüsse auf die Bedürfnisse und Vorlieben des Kunden zulassen. Diese werden dann dazu genutzt, dem User Produktvorschläge zu machen, die zu seinem Geschmack passen. Rund 35 Prozent seines gesamten Umsatzes soll Amazon bereits über diese automatisierten Recommendations generieren. Da verwundert es auch nicht allzu sehr, dass das Unternehmen sich an einem KI-Forschungszentrum der Max-Planck-Gesellschaft in der Region um Tübingen und Stuttgart beteiligt. Neben BMW, Daimler und Bosch ist unter anderem auch Facebook Teil des „Cyber Valley“ genannten Projekts. In den kommenden Jahren plant Amazon, hier 1,25 Mio. Euro zu investieren, um neue Forschungsgruppen der Initiative zu finanzieren. Geforscht wird in KI-Bereichen wie Robotik, Machine Learning und maschinelles Sehen.
„Wir begrüßen das Engagement von Amazon im Cyber Valley und für die Forschung zur künstlichen Intelligenz“, sagt Max-Planck-Präsident Martin Stratmann. „Mit dem Einstieg von Amazon gewinnt unsere Idee an Fahrt, durch einen Ausbau der KI-Forschung im Raum Stuttgart-Tübingen auch ein fruchtbares Umfeld für Aktivitäten der Wirtschaft zu schaffen“, so Stratmann. Auch im Customer Service ist der Einsatz von KI bereits weit verbreitet. Im Wesentlichen nutzen Unternehmen vorhandene Technologien bei der Korrespondenz via E-Mail, in Chats oder auch bei WhatsApp- und Facebook-Anfragen. Ein Vorteil ist dabei, dass sich etwa Beratungen durch Chatbots tatsächlich unvoreingenommen, fair und effizient gestalten. Ein Chatbot hat in der Regel keine schlechte Laune und arbeitet auf einem stets gleichbleibenden Niveau. Darüber hinaus werden Algorithmen mit jeder neuen Anfrage, die von bisherigen Anfragen abweicht, besser – sprich die Treffergenauigkeit erhöht sich, womit die Antwortqualität steigt. Das Potenzial, Prozesse zu optimieren und Kosten zu verringern, ist dementsprechend groß.
„Nur wenn wir Spitzenforschung und Unternehmergeist zusammenbringen, entsteht der Nährboden für Innovationen, die sich später einmal als technologische Durchbrüche erweisen können.“
Künstliche Intelligenz ist heute längst keine Zukunftsmusik mehr. Zahlreiche Unternehmen nutzen KI-Technologien bereits und setzen diese kostenreduzierend ein. In Zukunft wird KI in immer mehr Bereiche vordringen. Es ist durchaus vorstellbar, dass dann zum Beispiel Unternehmen schon die Probleme ihrer Kunden lösen, bevor diese sich überhaupt an den Kundenservice wenden. Der Weg dorthin ist bereits beschritten.
Das Intel-Tochterunternehmen Saffron zum Beispiel hat eine KITechnologie entwickelt, die mit bis zu 88-prozentiger Sicherheit vorhersehen können soll, zu welchem Produkt und über welchen Kanal ein Kunde eine Supportanfrage stellen wird.
Was auch immer noch kommen mag, KI wird sich nicht nebenbei einführen lassen. Vielmehr müssen Unternehmen Strategien entwickeln, mit denen eine erfolgreiche digitale Transformation gelingt.