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New Work: Mitarbeiterbeteiligung bis Hierarchiefreiheit

Von Mitarbeiterbeteiligung bis Hierarchiefreiheit.

Überall ist die Rede von Demokratisierung und Transformation. Auch Führungsstile müssen sich verändern. Unternehmer und Manager testen neue Möglichkeiten der Unternehmensführung – von der demokratischen Führung bis hin zur kompletten Hierarchiefreiheit. Hier gibt es zahlreiche Ansätze. In jedem Fall muss die Veränderung zum Unternehmen passen.

2019-05-29
Welke Consulting Gruppe

 Zahlreiche Unternehmen, insbesondere mittelständische und inhabergeführte Betriebe, werden heute noch patriarchisch geleitet. Der Geschäftsführer, der in vielen Fällen auch der Unternehmensgründer oder dessen Erbe ist, tritt als väterliche Leitfigur auf und hält gewissermaßen die Fäden in der Hand. Er ist autoritär und gütig zugleich, kümmert sich um die fachlichen und persönlichen Belange seiner Mitarbeiter und gibt die Richtung für das Unternehmen vor. Diesen Führungsstil kennt eigentlich jeder, doch wie zeitgemäß ist er? Je komplexer ein Unternehmen in seinen Strukturen und Prozessen wird, desto schwieriger ist es, nahezu sämtliche Entscheidungen von Bedeutung in die Verantwortung einer einzelnen Person zu legen. Im Grunde genommen ist es sogar unmöglich. Das beste Beispiel eines Unternehmens, dessen patriarchische Führung ihm zum Verhängnis wurde, ist die Drogeriemarkt-Kette Schlecker. Als nahezu legendär gelten die Besuche, die Anton Schlecker regelmäßig mit seiner Frau in den zeitweise 14.000 Schlecker-Filialen machte. Hierbei zog Frau Schlecker dann einen weißen Handschuh über, um die Sauberkeit der Warenregale zu kontrollieren. Die bis zu 38.000 Beschäftigten sollten wissen, dass ihre Leistung, der Zustand des Ladens und die Vollständigkeit des Sortiments jederzeit vom Chef persönlich überprüft werden konnte. Permanenter Druck also. Alles bei Schlecker war auf den Unternehmensgründer ausgerichtet, alles hing von ihm ab – von den Chefporträts in jeder Filiale bis hin zur unternehmensform des eingetragenen Kaufmanns. Ein Patriarch, wie er im Buche steht, der alleine für seine Untergebenen verantwortlich ist, alles entscheidet und niemandem Rechenschaft schuldet. Dabei hat Schlecker jedoch die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Wie es mit seinem Imperium ausging, ist heute hinlänglich bekannt.

Wirtschaft und Gesellschaft verändern sich

Digitalisierung, Fachkräftemangel, Diversifikation, Generation Y – all das sind Schlagworte, die veranschaulichen, wie sich unser Wirtschaftsleben und unsere Gesellschaft als Ganzes im Wandel befinden. Während der Anteil an älteren Menschen in der Bevölkerung immer weiter steigt, fehlt es uns an geeignetem Nachwuchs. In vielen Regionen ist es bereits heute zum Problem geworden, Fachkräfte zu rekrutieren. Der Arbeitsmarkt hat sich zum Arbeitnehmermarkt entwickelt.

Unternehmen, die das erkannt haben, reagieren darauf mit verstärktem Engagement im Employer Branding, sie umwerben Talente, indem sie ihnen neben Karrierechancen zahlreiche Zusatznutzen oder besondere Freiheiten als attraktiver Arbeitgeber bieten. In diesem Zuge müssen sich zwangsläufig aber auch Führungsmethoden in Unternehmen ändern. Remote-Arbeitsplätze und individuelle Arbeitszeiten passen nicht zu einem Chef, der sämtliche Entscheidungen treffen und alle Unternehmens­bereiche persönlich kontrollieren will.

Im Wesentlichen wird die Führung in Organisationen in drei Aspekte unterteilt:

❶ An erster Stelle steht die Frage nach der Hierarchie, also danach, wie viele hierarchische Ebenen es im Unternehmen gibt.

❷ An zweiter Stelle steht die Frage nach der Art, wie Entscheidungen getroffen und Prozesse im Unternehmen gesteuert werden und welcher Führungsstil dabei gelebt wird.

❸ Drittens gibt es die Frage nach der Legitimation von Führung. Wer bestimmt Führungs­positionen und wie werden diese gerechtfertigt?

Diese drei Dimensionen bedingen einander und bestimmen die Führungskultur eines Unternehmens. Insbesondere seit den Jahren um die Jahrtausendwende haben Unternehmen zahlreiche alternative Führungsmodelle entwickelt und eingeführt, womit auch häufig der Abbau von Führungsebenen, insbesondere im mittleren Management, einherging. Das sollte einerseits Entscheidungsprozesse beschleunigen und andererseits Kosten einsparen.

Demokratisierung ist ein Punkt, der in vielen gesellschaftlichen Bereichen auf der Agenda steht. Der freie Zugang zu Informationen ist dabei eine der Grundvoraussetzungen. In den Zeiten des Internets ist dieser auch zum größten Teil gegeben. Wie steht es aber mit der Information von Mitarbeitern in Unternehmen? Und wie muss Führung sich in der digitalen Arbeitswelt verändern?

Um solche Fragen zu klären, hat Microsoft Deutschland das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest 2016 mit einer Studie beauftragt. Über 1.000 Beschäftigte wurden dazu befragt, welche Erwartungen sie an ihre direkten Vorgesetzten haben. Der Großteil der Befragten hätte gern besseren Zugang zu Informationen (85 %) und regelmäßigeres Feedback (84 %). Die Mitarbeiter möchten selbstständiger
entscheiden (85 %) und flexibler arbeiten (71 %). Dabei wünschen sie sich gleichzeitig mehr Unterstützung von ihren Chefs (60 %). Die Zahlen sprechen eine recht deutliche Sprache: Es gibt in Sachen Mitarbeiterbeteiligung noch einiges zu tun in deutschen Unternehmen.

In jedem Fall ist zu beobachten, dass Mitarbeiterbindung heute erfolgreicher ist, wenn sie im sozialen Bereich begründet ist. Das heißt, ein offenes und angenehmes Arbeitsklima, Vorgesetzte, die ein offenes Ohr für die Belange ihrer Mitarbeiter haben und ein gewisses Mitspracherecht bei Entscheidungen im Team haben einen größeren Effekt als rein monetäre Anreize.

Insgesamt weisen Mitarbeiter mehr Commitment zu ihrem Arbeitgeber auf, je wohler sie sich an ihrem Arbeitsplatz fühlen. Dazu ist es nicht zwingend erforderlich, die Stelle eines „Feel-good-Managers“ zu schaffen. Auch die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice und flexible Arbeitszeiten sind Pluspunkte für den Mitarbeiter. Darüber hinaus sind Verständnis, Wertschätzung und Transparenz wichtige Werte.

Wer versteht, warum Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, kann diese nachvollziehen und fühlt sich nicht übergangen.

Über das hinausgehend, was allgemein mit flachen Hierarchien umschrieben wird, gibt es einige Unternehmen, die Hierarchien weitgehend abgebaut haben. Was man beispielsweise von politisch motivierten Kollektiven, die ohne Chef und Vorgesetzte auskommen, her kennt, wird auch in Unternehmen der freien Wirtschaft getestet. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass jeder Mensch, nicht nur die Vertreter der Generation Y, ein großes Bedürfnis nach Selbstverwirklichung hat und seinen Job erst dann wirklich gut machen kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und er sich voll in ein Team bzw. ein Unternehmen einbringen kann.

Ein Wert, der in hierarchiefreien Unternehmen stark im Vordergrund steht, ist die Tatsache, dass der Wert einer Person nicht durch ihre Rolle im Unternehmen definiert wird. Natürlich werden Hierarchien nie gänzlich abgeschafft. An Stelle einer personellen Hierarchie,also dem Verhältnis Vorgesetzter – Untergebener, tritt eine Hierarchie, die auf Expertise begründet ist. Entscheidungen werden dann von den Spezialisten mit dem größten Fachwissen im jeweiligen Bereich getroffen.

Es gibt mittlerweile mehrere Unternehmen, vom Getränkehersteller Premium Cola bis hin zur Werbeagentur Ministry, die erfolgreich ohne formelle Hierarchien wirtschaften. Premium Cola geht dabei sogar so weit, dass sämtliche das Unternehmen betreffende Entscheidungen auf konsensdemokratischer Basis getroffen werden. Uwe Lübbermann, der Initiator des Unternehmens, sieht sich nicht als Chef, sondern vielmehr als „zentraler Moderator“.

Konkret bedeutet das: Er ist dafür zuständig, mit den insgesamt fast 1.700 gewerblichen Partnern, zu denen alle Mitarbeiter, aber auch Kunden und Lieferanten zählen, einen Konsens zu erreichen. Jeder Stakeholder hat theoretisch die Möglichkeit, bei Entscheidungen mitzureden. Momentan tun das etwa 190 Personen, die auch ein Vetorecht haben. Premium Cola organisiert sich dabei über virtuelle Strukturen, das heißt, es gibt keinen festen Firmensitz, keine Büros, in denen die Mitarbeiter sitzen. Einmal im Jahr treffen sich die Mitglieder des Kollektivs im „realen Leben“ und diskutieren unter anderem über strategische Fragen. Was den Verdienst angeht, so bekommen alle Mitglieder des Kollektivs im Prinzip das Gleiche. Allerdings gibt es Zuschläge für Mitarbeiter, die Kinder versorgen, eine Behinderung haben oder ihren Arbeitsplatz als Freiberufler finanzieren müssen.

Ließe sich so eine Struktur auch auf größere Unternehmen übertragen? Wahrscheinlich nur bedingt, wenn man bedenkt, welche Vielzahl an Entscheidungen tagtäglich etwa in einem mittelständischen Industriebetrieb getroffen werden müssen. Da stellt sich die Frage, ob ein solches Unternehmen ohne jegliche formellen Hierarchien handlungsfähig wäre. Was aber sind grundsätzliche Voraussetzungen für erfolgreiches hierarchieloses Arbeiten? Transparenz, Kommunikation auf Augenhöhe und Vertrauen sind hier wichtige Aspekte. Wer sich eingebunden fühlt, ist auch zu mehr Leistung im Unternehmen bereit. Und mit Sicherheit geht es nicht ohne das richtige Team, also Mitarbeiter, die intrinsisch motiviert und fachlich kompetent sind. Darüber hinaus ist das Thema Sinnstiftung von großer Bedeutung. Ein Mitarbeiter, der Verantwortung übernehmen und sich voll in seinen Job einbringen soll, muss wissen, wofür er das eigentlich tut. Hier spielen die interne Markenführung und die Vermittlung von Unternehmenswerten definitiv große Rollen

Es lässt sich kaum leugnen, dass Umbrüche wie die Digitalisierung oder der Eintritt der Generation Y und nachfolgender Generationen in die Arbeitswelt ein Umdenken in den Führungsetagen vieler Unternehmen notwendig machen. Das heißt aber nicht, dass Unternehmen zukünftig komplett auf Hierarchien verzichten müssten. Oftmals sind Mitarbeiter auch nicht wirklich in der Lage, ihren Arbeitsalltag komplett in Eigenverantwortung zu organisieren. Oder sie wollen es schlichtweg
nicht. Immer wichtiger jedoch wird eine humane, respektvolle Führung, bei der der Mitarbeiter als Mensch mit ganz persönlichen Bedürfnissen wahrgenommen wird, aber auch ganz individuelle Methoden der Lösungsfindung. Das heißt konkret: Vorgesetzte sollten auch einmal darauf vertrauen, dass ihre Mitarbeiter Aufgaben auf eine andere Art erledigen, als sie es selbst täten.

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