

Eine Bemerkung vorweg: es wäre sicher falsch, wegen der schwarzen Vorhersagen in Panik zu geraten. "Kassandra-Rufe" sind in guten Zeiten en vogue - je dramatischer die Aussagen, umso mehr Aufmerksamkeit ist garantiert. Zumindest die Autoren solcher Untersuchungen verdanken der Digitalisierung einen positiven Beschäftigungseffekt. Es gibt geradezu eine Studien-Inflation - keine namhafte Unternehmensberatung oder Wirtschaftsinstitution, die dazu nicht etwas zu sagen hätte.
Allerdings ist unbestreitbar, dass die Digitalisierung unser Leben verändert wie nichts sonst seit der industriellen Revolution - und das in einem rasend schnellen Tempo. Das wird vor allem in der Rückschau deutlich. Noch in den 1980er Jahren war das Internet eine Einrichtung primär für wissenschaftlichen Austausch, erst in den 1990er Jahren öffnete es sich für kommerzielle Anwendungen und erreichte damit eine ungeahnte Breitenwirkung. Fast zeitgleich wurden Mobiltelefone zu einem Massenprodukt, das erste Smartphone, wie wir es kennen, kam erst vor gut zehn Jahren auf den Markt. Heute ist es wie das Internet fast unverzichtbar und selbstverständlich. All das geschah im Zeitraum einer Generation.
Die Entwicklung ist längst nicht zu Ende - im Gegenteil, die Veränderungen werden sich dynamisch fortsetzen. Das Internet der Dinge bedeutet den nächsten Quantensprung. Die allumfassende Vernetzung in Verbindung mit künstlicher Intelligenz und weitreichender Automatisierung ist es, die unsere Arbeitswelt grundlegend umwälzen wird. Der Prozess steht noch am Anfang, ist aber schon in vollem Gange. Aufhalten lässt er sich nicht. Denn mit der Digitalisierung sind Effizienzgewinne und Wettbewerbsvorsprünge erzielbar. Das treibt die Entwicklung voran.
Standen bei früheren Rationalisierungsschüben vor allem niedriger qualifizierte Tätigkeiten in Frage, trifft es diesmal stärker Beschäftige mit guten Ausbildungen. Trotz Fachkräftemangel - Fachkraft zu sein, garantiert im digitalen Zeitalter nicht mehr automatisch Arbeitsplatzsicherheit. Digitalisierung und KI erlauben es, auch anspruchsvollere Tätigkeiten "maschinell" zu realisieren. Oft handelt es sich um Aufgaben, die typischerweise im "Back Office" oder im Rahmen von Organisation, Steuerung und Überwachung anfallen. Wo die persönliche Ansprache oder Zuwendung wichtig ist, lässt sich der Mensch dagegen nicht so leicht ersetzen.
Gut zu beobachten ist der Wandel schon in der Finanzbranche. Zum Beispiel bei Kreditvergaben: früher lief der Kreditprozess von der Kreditberatung über die Kreditprüfung bis zur Kreditgewährung und -abwicklung ausschließlich "human" ab. Im Online-Zeitalter wird die Beratung durch Selbstbedienung ersetzt, Scoring-Systeme bewerten die Kreditwürdigkeit, der Kreditvergabeprozess ist weitgehend automatisiert. Nicht anders sieht es bei Geldanlagen aus: Robo-Advisors - computergestützte Anlageberatung und Vermögensverwaltung nach Algorithmen - sind im Kommen.
Einer aktuellen Studie von Boston Consulting zufolge wird die digitale Automatisierung zu 62 Prozent Fachkräfte treffen, "nur" zu 23 Prozent niedrig-qualifizierte Tätigkeiten. Weniger betroffen sind Spezialisten (neun Prozent) und Experten (fünf Prozent). Stärker noch als im Dienstleistungssektor wird sich die Digitalisierung in der Industrie auswirken - Stichwort: Industrie 4.0. Alleine für die Bereiche Fertigungstechnik und sonstige Fertigung ermittelt Boston Consulting bis 2025 ein Ersatzpotential von 2,3 Millionen Arbeitsplätzen. Das ist nicht wenig.
Dennoch sind Meldungen, nach denen in 20 Jahren rund die Hälfte der Bundesbürger arbeitslos sein wird, weil ihre Arbeitskraft wegen der Digitalisierung nicht mehr benötigt wird, sicher mehr Schreckgespenst als ernst zu nehmende Prognose. Diese "Vorhersagen" rechnen nämlich einfach nur möglichen Einsparungen beim Personal auf Basis des status quo hoch, ignorieren aber vollkommen die sonstigen Auswirkungen der Digitalisierung. Die können sehr positiv sein - unter anderem bei der Festigung der deutschen Position im globalen Wettbewerb. Die Digitalisierung ersetzt nicht nur Tätigkeiten, sie schafft auch viele neue Tätigkeitsfelder - zum Beispiel durch neue digitale Geschäftsmodelle, Entwicklungen oder Anwendungen.
Dabei gilt: wer anpassungsfähig und Veränderungen gegenüber aufgeschlossen ist, der wird sich im digitalen Wandel mehr als gut behaupten und sogar neue Chancen erkennen können. Wer dagegen nur am "Bewährten" festhält und nichts ändern möchte, verliert schnell den Anschluss. Bei einer solchen "Philosophie" droht tatsächlich Arbeitsplatzverlust. Es ist durchaus möglich, dass einige Berufe stark an Bedeutung einbüßen: Büro- und Sekretariatskräfte oder Kraftfahrer (autonomes Fahren!) zum Beispiel. Viel häufiger dürfte der Fall sein, dass sich Berufsbilder erheblich wandeln: bezüglich der Inhalte, der Aufgaben und der Anforderungen. Sie werden aber in veränderter Form weiter existieren.
Die Digitalisierung wird auch unsere Art zu arbeiten prägen. Dies ist bereits heute zu beobachten. Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen zusehends und es wird weniger wichtig werden, einen "festen" Arbeitsplatz im Arbeitsstätten-Sinne zu haben. Home-Office, Co-Working-Spaces, Arbeiten unterwegs statt des täglichen Gangs ins Büro oder in den Betrieb - das ist ein weiterer Trend der digitalen Zukunft. Wo nichts so beständig sein wird wie der Wandel, werden sich auch die Erwerbsbiographien verändern. Die lebenslange Festanstellung bei ein oder zwei Arbeitgebern wird eher zur Ausnahme als zur Regel werden. Stattdessen verbreiten sich flexible Beschäftigungsformen und das Berufsleben wird insgesamt "wechselhafter" werden.
Der permanenten Weiterbildung kommt angesichts der technologischen Dynamik in der digitalen Zukunft eine noch größere Bedeutung als jetzt schon zu. Dafür werden stumpfsinnige Routinetätigkeiten weniger werden, denn die eignen sich für Automatisierung besonders gut. Statt "Eingleisigkeit" wird vernetztes und ganzheitliches Denken zu einer zentralen Anforderung werden. Die Vernetzung der Dinge funktioniert nur mit einem "vernetzten Geist". Und es gilt, stets am Ball zu bleiben - auf allen Gebieten, die das eigene Arbeiten betreffen. Wissen und Information sind Trumpf.
Vielfach übersehen wird, dass die Digitalisierung auch ganz neue Berufe schafft. Sie bewegen sich - wenig überraschend - im Umfeld der digitalen Vernetzung und von "Big Data". Hier nur ein paar Beispiele für Berufe und Funktionen, die "brandneu" sind und im Zeitalter der Digitalisierung gesucht werden:
Die Liste ließe sich mühelos fortsetzen. Es gibt schon Dutzende neue Berufsbilder im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Das "Ende der Fahnenstange" ist sicher längst nicht erreicht.
Es gibt daher keinen Grund, beim Stichwort "Digitalisierung" wie das sprichwörtliche "Kaninchen auf die Schlange zu starren".
Statt "Angststarre" ist vielmehr pro-aktives Denken und Handeln gefragt. Die Digitalisierung bedeutet für uns mehr Chancen als Risiken. Wer dies erkennt und konsequent für sich nutzt, muss sich im digitalen Zeitalter nicht um seine Zukunft sorgen. Im Gegenteil - sie verspricht noch abwechslungsreicher und spannender zu werden, als sich viele heute vielleicht vorstellen können.