Mehrliniensystem: Definition, Vorteile, Nachteile & Praxisbeispiele
Glossar

Mehrliniensystem

Mehrfache Unterstellung, mehrere Vorgesetzte, verbesserte Spezialisierung und Kontrolle

Das Mehrliniensystem ist eine der klassischen Organisationsformen, die Unternehmen nutzen, um komplexe Aufgaben effizient zu steuern. Doch was steckt hinter dem Prinzip der Mehrfachunterstellung? Wie unterscheidet sich das Mehrliniensystem von Einlinien- und Matrixorganisationen – und wann ist es wirklich sinnvoll? In diesem Fachartikel erfahren Sie, wie das Mehrliniensystem funktioniert, welche Chancen und Risiken es birgt und wie Sie es in der Praxis optimal einsetzen.

Was ist ein Mehrliniensystem?

Das Mehrliniensystem ist eine Organisationsstruktur, bei der Mitarbeitende mehreren Vorgesetzten gleichzeitig unterstellt sind. Diese Organisationsform basiert auf dem Funktionsmeisterprinzip von Frederick Winslow Taylor und gehört neben dem Einliniensystem und dem Stabliniensystem zu den grundlegenden Formen der Aufbauorganisation. Jeder Vorgesetzte ist für einen bestimmten Fachbereich zuständig und gibt fachspezifische Anweisungen direkt an die Mitarbeitenden weiter. Dadurch entstehen kurze Kommunikationswege und eine hohe Spezialisierung. Im Organigramm wird das Mehrliniensystem durch sich kreuzende Linien zwischen Mitarbeitenden und verschiedenen Instanzen dargestellt.


Warum ist das Mehrliniensystem wichtig?

Das Mehrliniensystem ermöglicht Unternehmen, auf komplexe Anforderungen flexibel zu reagieren. Durch die Aufteilung der Weisungsbefugnisse auf mehrere Fachvorgesetzte können Aufgaben effizienter verteilt und bearbeitet werden. Besonders in dynamischen Märkten, in denen Spezialwissen gefragt ist, sorgt diese Organisationsform für eine hohe Anpassungsfähigkeit und schnelle Entscheidungswege.


Vorteile eines Mehrliniensystems

Das Mehrliniensystem bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile, die insbesondere in komplexen und spezialisierten Organisationen zum Tragen kommen:

1. Effiziente Arbeitsteilung und Spezialisierung

Durch die klare Zuordnung von Aufgaben an verschiedene Fachvorgesetzte können Mitarbeitende ihre Kompetenzen gezielt einsetzen. Dies führt dazu, dass Spezialwissen optimal genutzt wird und die Produktivität steigt - weil jeder Mitarbeitende genau dort eingesetzt wird, wo sein Know-how den größten Mehrwert bietet. Studien zeigen, dass spezialisierte Teams Fehlerquoten senken und Innovationsraten erhöhen, da sie blinde Flecken vermeiden. [vgl. Studie Fraunhofer IAO, 2021]

2. Entlastung der Führungskräfte

Die Verantwortung wird auf mehrere Schultern verteilt: Führungskräfte müssen nicht mehr alle Entscheidungen allein treffen, sondern können sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Dies verringert Überlastung und fördert die Qualität der Führungsarbeit.

3. Verbesserte Kontrolle und Qualitätssicherung

Da mehrere Instanzen die Arbeit überwachen, werden Fehler schneller erkannt und können gezielt adressiert werden. Die Kontrolle erfolgt aus unterschiedlichen Blickwinkeln, was die Qualität der Ergebnisse erhöht und Risiken minimiert.

4. Spezialisiertes Fachwissen auf Führungsebene

Kompetenzüberschneidungen führen dazu, dass übergeordnete Entscheidungsträger besonders tiefes Fachwissen einbringen. So profitieren Mitarbeitende von maßgeschneiderten Anweisungen, die auf aktuelle Entwicklungen und Best Practices abgestimmt sind.

5. Höhere Akzeptanz bei Mitarbeitenden

Anweisungen, die von anerkannten Fachautoritäten kommen, stoßen auf mehr Akzeptanz und Motivation. Mitarbeitende fühlen sich ernst genommen und sind eher bereit, neue Wege mitzugehen - weil sie wissen, dass die Vorgaben fachlich fundiert sind.

6. Direkte und schnelle Kommunikationswege

Durch die Mehrfachunterstellung werden Informationen ohne Umwege an die jeweils zuständigen Stellen weitergegeben. Das beschleunigt Entscheidungsprozesse und sorgt für eine reibungslose Abstimmung zwischen den Abteilungen.

7. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit

Das System ermöglicht es Unternehmen, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Neue Aufgabenfelder oder Projekte können schnell integriert werden, da die Struktur dynamisch und anpassungsfähig ist.

8. Förderung von Innovation

Wenn verschiedene Fachbereiche zusammenarbeiten, entstehen oft kreative Lösungen. Die Vielfalt der Perspektiven fördert Innovation, da unterschiedliche Denkansätze kombiniert werden.


Nachteile eines Mehrliniensystems

Trotz seiner Vorteile bringt das Mehrliniensystem auch erhebliche Herausforderungen mit sich, die Unternehmen bei der Einführung und im laufenden Betrieb beachten sollten:

1. Unklare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten

Durch die Mehrfachunterstellung der Mitarbeitenden ist oft nicht eindeutig geregelt, wer für welche Aufgaben und Entscheidungen zuständig ist. Dies kann zu Überschneidungen, Lücken oder sogar doppelter Bearbeitung führen. Gerade in stressigen Situationen entsteht Unsicherheit, wer letztlich die Verantwortung trägt - was die Effizienz beeinträchtigt und die Fehleranfälligkeit erhöht.

2. Erschwerte Fehlerzuordnung

Wenn mehrere Vorgesetzte Anweisungen geben, ist im Nachhinein oft schwer nachvollziehbar, wer für einen Fehler oder Missstand verantwortlich ist. Die Folge: Die Ursachenanalyse wird erschwert, und es kann zu gegenseitigen Schuldzuweisungen kommen. Dies behindert die kontinuierliche Verbesserung und das Lernen aus Fehlern.

3. Konfliktpotenzial und Missverständnisse

Kompetenzüberschneidungen und parallele Weisungen führen nicht selten zu widersprüchlichen Arbeitsanweisungen. Mitarbeitende stehen dann vor dem Dilemma, wessen Vorgaben sie folgen sollen. Das erhöht das Risiko von Konflikten zwischen den Führungskräften und sorgt für Frust im Team. Fachliteratur und Praxiserfahrungen zeigen, dass in Mehrliniensystemen das Konfliktpotenzial deutlich höher ist als in klassischen Einliniensystemen, da Kompetenzüberschneidungen und widersprüchliche Anweisungen häufiger auftreten können.

4. Erhöhter Kommunikations- und Koordinationsaufwand

Die Vielzahl an Schnittstellen und Abstimmungsprozessen verlangt von allen Beteiligten eine hohe Kommunikationskompetenz. Ohne regelmäßige Meetings und klare Absprachen können Informationen verloren gehen oder missverstanden werden. Das kostet nicht nur Zeit, sondern kann auch die Entscheidungsfindung verzögern.

5. Gefahr der Überforderung für Mitarbeitende

Mitarbeitende, die mehreren Vorgesetzten gleichzeitig berichten, können sich schnell überfordert fühlen. Die ständige Priorisierung unterschiedlicher Anforderungen und Erwartungen führt zu Stress und im schlimmsten Fall zu Motivationsverlust oder innerer Kündigung.


Unterschied zwischen Einliniensystem und Mehrliniensystem

Der zentrale Unterschied zwischen Einliniensystem und Mehrliniensystem liegt in der Art der Weisungsbefugnis und der Struktur der Kommunikationswege:

Einliniensystem

Im Einliniensystem gilt das Prinzip der einheitlichen Auftragserteilung: Jeder Mitarbeiter hat genau einen direkten Vorgesetzten, von dem er Anweisungen erhält. Die Hierarchie ist klar, die Kommunikations- und Dienstwege verlaufen strikt vertikal - Informationen und Befehle werden von oben nach unten (bzw. umgekehrt) weitergegeben, ohne dass Ebenen übersprungen werden dürfen. Das sorgt für eindeutige Zuständigkeiten, eine einfache Kontrolle und Übersichtlichkeit. Allerdings können dadurch die Wege lang werden, was Entscheidungsprozesse verlangsamt und zu einer Überlastung der Führungskräfte führen kann.

Mehrliniensystem

Im Mehrliniensystem (auch Funktionssystem genannt) unterstehen Mitarbeitende mehreren Vorgesetzten, die jeweils für unterschiedliche Fachbereiche zuständig sind. Anweisungen werden direkt und fachspezifisch von den jeweiligen Experten erteilt. Dadurch entstehen kürzere Kommunikationswege und eine höhere Spezialisierung, weil Mitarbeitende bei Fragen direkt den zuständigen Fachvorgesetzten ansprechen können. Diese Struktur erhöht die Flexibilität und die fachliche Tiefe, birgt aber auch das Risiko von Kompetenzüberschneidungen, unklaren Zuständigkeiten und Konflikten zwischen den Instanzen

Vergleichstabelle

Merkmal Einliniensystem Mehrliniensystem
Weisungsbefugnis Nur ein Vorgesetzter pro Mitarbeiter Mehrere Vorgesetzte pro Mitarbeiter
Kommunikationswege Vertikal, oft lang und hierarchisch Direkt, kurz, oft fachbezogen
Zuständigkeiten Klar und eindeutig Überschneidungen möglich
Kontrolle Einfach, zentralisiert Komplex, verteilt
Flexibilität Gering Hoch
Konfliktpotenzial Niedrig Erhöht

Fazit:
Das Einliniensystem steht für Klarheit und Übersicht, das Mehrliniensystem für Spezialisierung und Flexibilität. Die Wahl hängt von Unternehmensgröße, Aufgabenstruktur und dem gewünschten Maß an Kontrolle und Dynamik ab.


Unterschied zwischen Mehrliniensystem und Matrixorganisation

Obwohl das Mehrliniensystem und die Matrixorganisation beide auf dem Prinzip der Mehrfachunterstellung basieren, unterscheiden sie sich deutlich in Struktur, Komplexität und Zielsetzung:

Mehrliniensystem

Im klassischen Mehrliniensystem erhalten Mitarbeitende Anweisungen von mehreren Vorgesetzten, die jeweils für unterschiedliche Fachbereiche zuständig sind (z. B. Produktion, Qualität, Logistik). Die Weisungswege sind funktional getrennt, aber es gibt keine festgelegten, sich kreuzenden Berichtslinien. Die Struktur folgt dem Funktionsmeisterprinzip: Jeder Vorgesetzte ist für sein Spezialgebiet verantwortlich und gibt dazu Anweisungen. Die Mehrfachunterstellung ermöglicht kurze Kommunikationswege und eine hohe Spezialisierung, birgt aber das Risiko von Kompetenzüberschneidungen und unklaren Verantwortlichkeiten.

Matrixorganisation

Die Matrixorganisation ist eine Weiterentwicklung des Mehrliniensystems und stellt eine mehrdimensionale Organisationsstruktur dar. Hier berichten Mitarbeitende systematisch an zwei gleichberechtigte Vorgesetzte – typischerweise einen funktionalen (z. B. Leiter Marketing) und einen projekt- oder produktbezogenen Vorgesetzten (z. B. Projektleiter Produkt X). Diese dualen Berichtslinien sind im Organigramm als Matrix abgebildet und führen zu einer bewussten Überschneidung von Verantwortlichkeiten. Ziel ist es, die Vorteile aus funktionaler und divisionaler Organisation zu kombinieren, Synergien zu nutzen und interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern.

Vergleichstabelle

Merkmal Mehrliniensystem Matrixorganisation
Weisungswege Mehrere Vorgesetzte, funktional getrennt Zwei gleichberechtigte Vorgesetzte (Funktion & Projekt/Produkt)
Berichtslinien Keine systematische Kreuzung, flexibel Duale, klar definierte Berichtslinien
Struktur Funktional orientiert, weniger formalisiert Mehrdimensional, formal als Matrix abgebildet
Zielsetzung Spezialisierung, kurze Wege, fachliche Tiefe Synergieeffekte, Flexibilität, interdisziplinäre Teams
Komplexität Hoch, aber weniger formalisiert als Matrix Sehr hoch, erfordert klare Kommunikation und Koordination
Typische Anwendung Produktionsbetriebe, spezialisierte Fachbereiche Großunternehmen, projektorientierte Organisationen

Fazit:
Während das Mehrliniensystem vor allem auf Spezialisierung und schnelle Abstimmung zwischen Fachbereichen setzt, kombiniert die Matrixorganisation gezielt funktionale und projektbezogene Verantwortung. Die Matrixorganisation ist damit strukturierter und komplexer, aber auch flexibler und besser geeignet für dynamische, internationale Unternehmen mit hoher Projektorientierung.


Wann eignet sich ein Mehrliniensystem?

Ein Mehrliniensystem eignet sich besonders in Organisationen, in denen eine hohe Arbeitsteilung und Spezialisierung erforderlich sind. Es kann in komplexen Projekten oder in Unternehmen mit verschiedenen Fachbereichen sinnvoll sein, um die Koordination und Kontrolle zu verbessern. Allerdings sollte beachtet werden, dass die Vorteile und Nachteile des Mehrliniensystems abgewogen werden müssen, um sicherzustellen, dass es den spezifischen Anforderungen und Zielen der Organisation entspricht.

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