Unternehmenskommunikation hat zum Ziel, ein Unternehmen gegenüber seinen Zielgruppen und der Öffentlichkeit möglichst positiv darzustellen. Herausragende Produkte und Leistungen werden ebenso kommuniziert wie soziales oder kulturelles Engagement. Über Schwächen oder negative Ereignisse sprechen die Unternehmen eher ungern. Das ist nachvollziehbar und für die positive Außendarstellung auch richtig – im Normalfall. Für den Krisenfall gilt dies allerdings nicht. Dabei können sich Unternehmen schneller in einer brenzligen Situation wiederfinden, als ihnen lieb ist …
Es gibt sie zuhauf, und die prominenten Fälle sind uns alle in Erinnerung geblieben: Krisen, die ein Unternehmen in Bedrängnis gebracht haben. Sie können jede Organisation treffen – ob selbst- oder fremdverschuldet oder durch höhere Gewalt hervorgerufen. Unternehmen, die mit einem Konzept zur Krisenkommunikation auf den Ernstfall vorbereitet sind, haben – wenn dieser eintritt – eine deutlich bessere Ausgangssituation als solche, welche die Krise unvorbereitet trifft.
Sicherlich gibt es Krisen von unterschiedlicher Dimension und Tragweite. Die größten Krisen der jüngeren Vergangenheit haben sich in das Gedächtnis der Menschen rund um den Globus eingebrannt, und viele leiden noch heute unter den Folgen: Am 20. April 2010 explodiert die im Auftrag von British Petrol (BP) betriebene Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko, reißt elf Arbeiter in den Tod und verletzt sieben schwer. Als die Plattform zwei Tage darauf sinkt, bricht die Pipeline nahe der Bohrung. Schnell wächst ein Ölteppich auf 500 Quadratkilometer Fläche an.
Es soll drei Monate dauern, bis der Ölausfluss mit einem temporären Verschluss gestoppt werden kann. Das Ergebnis ist die schwerste Umweltkatastrophe dieser Art in der Geschichte. Die Folgen für Umwelt und Natur im Golf von Mexiko sind verheerend, ebenso diejenigen für Fischerei und Tourismus in den angrenzenden Staaten. Im Rahmen der Untersuchung werden BP schwere Fehler bei der Inbetriebnahme und Instandhaltung von Plattform und Bohrloch nachgewiesen. Auch werden gegenüber dem Konzern schwere Vorwürfe bei der Krisenkommunikation laut. BP-Chef Tony Hayward spielt zunächst den Vorfall herunter. In einem ersten Statement sagt er: „Der Golf von Mexiko ist ein sehr großer Ozean und im Vergleich dazu ist die Menge an auslaufendem Öl winzig.” In weiteren ungezählten Interviews findet Hayward nach Meinung der Betroffenen selten den richtigen Ton oder die passenden Worte. Er beschwichtigt, wo er die unangenehme Wahrheit aussprechen müsste, und ist zu ehrlich, wo er mehr Mitgefühl ausdrücken müsste. Auch verlautbart BP zunächst, es strömten 800.000 Liter Rohöl am Tag aus. Einen Monat darauf geben hochrangige Mitarbeiter von BP vor dem U.S.-Kongress zu, dass aus dem Leck täglich bis zu 9,5 Millionen Liter (!) ausströmen.
Japan, 11. März 2011: Um 14:46 Uhr Ortszeit erschüttert Nippon das schwerste Erdbeben seiner Geschichte. Es folgt eine bis zu 23 Meter hohe Flutwelle, die Schiffe, Häuser, Autos, Menschen mit sich reißt. Die Zahl der Toten und Vermissten wird bald auf mehr als 26.000 geschätzt. Von den Naturgewalten werden auch mehrere Atomkraftwerke der Betreibergesellschaft Tepco in Mitleidenschaft gezogen. In Reaktor Eins des AKW Fukushima fällt die Kühlung aus, im AKW Onagawa bricht ein Feuer aus. Die Regierung ruft den atomaren Notfall aus und fordert rund 2.000 Bewohner in der Umgebung des AKW Fukushima zum Verlassen ihrer Häuser auf. Es folgt ein monatelanger Kampf gegen die Kernschmelzen und deren Folgen in insgesamt drei Reaktoren des AKW Fukushima. Die Welt hält den Atem an – und ist abhängig von den Informationen, die Tepco herausgibt. Das Unternehmen, das durch höhere Gewalt in die Krise geriet, diskreditiert sich unter den Augen der Weltöffentlichkeit nun selbst – durch ein Kommunikationsverhalten, welches die Japaner und die Welt verunsichert: Erst zwei Tage nach der Katastrophe treten Unternehmensvertreter vor die Medien und liefern fortan Leerformeln statt Informationen. Gerade in der ersten Zeit entsteht bei der Bevölkerung und den Medien der Eindruck, der AKW-Betreiber informiere bruchstückhaft, schleppend und widersprüchlich. Er hält Informationen zurück, vertuscht Tatsachen und versucht die Situation zu beschönigen. Statt der Welt Einblicke ins operative Krisenmanagement zu geben, wie Tepco es später tun wird, liefert das Unternehmen zunächst nur nüchterne Statusmeldungen zum Zustand der Reaktoren. Aussagen des Mitgefühls und des Schuldeingeständnisses kommen viel zu spät.
Natürlich laufen die wenigsten Unternehmen Gefahr, je in eine annähernd ähnliche Situation wie BP oder Tepco zu geraten. Doch eine Krise mit größerem bis immensem wirtschaftlichen Schaden und Reputationsverlust ist schneller da, als man denkt. Störfälle, Produktfehler, Korruption, Naturgewalten, Kinderarbeit, mangelnder Datenschutz, Umweltverschmutzung, Entlassungen, Affären oder auch nur Gerüchte. Die Auslöser sind mannigfaltig und sie brechen meist plötzlich über ein Unternehmen herein.
„Das kann uns nicht passieren“, werden Sie vielleicht sagen. Sicher? Es reicht schon, wenn Sie beispielsweise seit 30 Jahren in einem Gewerbe-Mischgebiet produzieren, Ihr Produktionslärm 30 Jahre lang keinen Anwohner stört, nun aber ein neuer Nachbar herausfindet, dass der Lärm über dem gesetzlichen Immissionswert liegt, gegen Sie klagt, die anderen Anlieger mobilisiert und die Presse informiert. Schon ist der Ernstfall, in dem es auf Ihre geschickte Kommunikation ankommt, da.
Christian Neuhaus vom Institut für Medienforschung der Universität Siegen rät Unternehmen zu verschiedenen Strategien, um den Folgen einer Krise vorzubeugen: An erster Stelle der Präventivmaßnahmen steht ein konsequentes Issues- und Markenmanagement. „Unternehmen, die sich vor einer Krise ein gutes Image aufgebaut haben, können in der Krise von diesem Image zehren. Sie starten quasi mit einem Bonus, sodass ihr Verhalten und ihre Aussagen positiver wahrgenommen werden als die von Unternehmen, welche nie Marken- und Imagepflege betrieben haben“, so der Experte. Als weitere Strategie zur Krisenvorbeugung nennt Neuhaus ein gutes Relationship Management und Stakeholder-Orientierung. „Es kommt darauf an, bedarfs- und bedürfnisgerecht mit seinen Zielgruppen zu kommunizieren“, so Neuhaus. „Wer regelmäßig mit seinen Kunden, Zulieferern, Projektpartnern oder der Öffentlichkeit kommuniziert, weiß auch, wie und wo er diese in einer Krise am besten erreicht.“ Als dritte Maßnahme, sich möglichst gut vor einer Krise zu schützen, nennt der Experte die Früherkennung. „Ein Unternehmen sollte sich, seine Kunden und Zulieferer genau beobachten und mögliche Problemfelder identifizieren, denn auch externe Krisen anderer können schnell zur Krise für das Unternehmen werden.“ So hatte beispielsweise die Krise bei Toyota Auswirkungen auf deren Zulieferer – darunter auch kleine und mittlere Betriebe im Siegerland.
Ist die Krise – egal welchen Ausmaßes – einmal da, gelten gewisse Grundregeln: An erster Stelle sollte stets ein Ausdruck des Bedauerns und eine ehrlich gemeinte Entschuldigung stehen. Selbst wenn das Unternehmen keinerlei direkte Schuld trifft, sollte es zumindest die moralische Verantwortung für den Auslöser und die Folgen der Krise übernehmen. Auf diese Weise ist das Erste, was die Betroffenen vom Unternehmen wahrnehmen, eine versöhnliche Geste und somit ein positives Signal. Es ist wichtig, dass das Unternehmen zu jeder Zeit Glaubwürdigkeit ausstrahlt. Gerade in der heutigen Medienlandschaft und im Zeitalter von Social Media muss das Unternehmen zeitnah kommunizieren. Wenn die Öffentlichkeit auf Informationen warten muss, entsteht schnell der Eindruck, es werde etwas vertuscht. Gerade deshalb ist es so wichtig, mit einem Kommunikationsplan in der Schublade auf den Ernstfall vorbereitet zu sein. Es kommt aber nicht nur auf die Geschwindigkeit der Information an. Man sollte auch regelmäßig und korrekt informieren – ansonsten ist der Weg frei für Spekulationen und Gerüchte. „Wer so vorgeht, ruft schnell falsche Propheten auf den Plan“, so Krisenkommunikationsexperte Neuhaus. Gemeint sind Journalisten oder Experten, die aufgrund falscher Informationen Schreckensszenarien verbreiten. Eine Salami-Taktik, bei der das Unternehmen sozusagen scheibchenweise mit der Wahrheit herausrückt, kann daher fatal sein.
Der Lebensmittelhersteller Hengstenberg reagierte im Oktober 2008 vorbildlich, als zwei Kunden in seinen Apfelrotkohl-Gläsern Glasscherben gefunden hatten. Der Mittelständler ließ sofort alle Gläser der betroffenen Charge aus dem Handel nehmen, unterrichtete die Behörden, informierte die Verbraucher über die Medien und richtete eine kostenlose Telefonnummer für Kunden ein. Hengstenberg entschuldigte sich und warb um das Vertrauen der Konsumenten. Das Unternehmen war auf eine solche Krise offenbar gut vorbereitet. Oftmals wissen Mittelständler aber gar nicht, wie sie sich in einem solchen Fall verhalten sollen, welche Behörden informiert und welche Informationen herausgegeben werden müssen. Auch auf die logistischen Herausforderungen bei Rückrufaktionen sind die wenigsten vorbereitet.
Professionelles Krisenmanagement beginnt vor dem Ernstfall. In einem ersten Schritt sollten Sie die Risiken und die möglichen Betroffenen umreißen. Welche juristischen, finanziellen und technischen Risikopotenziale schlummern in Ihrem Unternehmen? Welche Interessensgemeinschaften oder Personenkreise könnten von den potenziellen Risiken betroffen sein? Überlegen Sie, welche Argumente beispielsweise Anwohner, Umweltschützer, eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe gegen Ihr Unternehmen hervorbringen könnte und mit welchen Argumenten Sie Ihrerseits darauf reagieren sollten. Beantworten Sie sich die Frage, über welche(n) Weg(e) die jeweiligen Betroffenen am besten angesprochen werden. Auch sollten die Ansprechpartner in den relevanten Behörden und Medien bekannt sein.
Ganz wichtig ist auch eine einheitliche Sprachregelung gegenüber den eigenen Mitarbeitern, den Journalisten und den Betroffenen. So vermeiden Sie Missverständnisse und Spekulationen. Zudem sollte ein Sprecher bestimmt werden. Wer das Unternehmen gegenüber Kritikern verteidigen muss, sollte stressresistent sein und Erfahrung mit emotional aufgeladenen, sensiblen Situationen haben. Dafür ist der Geschäftsführer nicht unbedingt immer die erste Wahl. Im Rahmen von Ernstfall-Simulationen lässt sich sehr gut herausfinden, wer aus dem Management die geeignete Person für die Rolle des Sprechers ist.
Die beste Krisenkommunikationsstrategie bringt nichts, wenn es im Ernstfall bei bloßen Lippenbekenntnissen bleibt. Es ist daher unerlässlich, dem Reden auch entsprechendes Handeln folgen zu lassen. Der Imageschaden lässt sich nur durch schnelles Gegenlenken begrenzen. Überlegen Sie daher, welche Gegenmaßnahmen für Ihre Risikopotenziale notwendig werden könnten. Je nach Fall können dies beispielsweise Verbesserungen am Produkt, Reparationen für Geschädigte, Sanierungsmaßnahmen für die betroffene Umwelt oder neue Sicherheitsmaßstäbe sein.
„Eine Krise bietet die Chance, gestärkt aus ihr hervorzugehen“, betont Medienforscher Neuhaus. Ein prominentes Beispiel ist die A-Klasse, der seinerzeit gute Verkaufszahlen prognostiziert wurden. Dann kippte das Auto beim so genannten Elchtest in der Kurve um. „Mit dieser Krise ist Daimler-Benz damals exzellent umgegangen“, so Neuhaus. Der Konzern nahm zahlreiche technische Verbesserungen vor und führte serienmäßig das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) ein, was zuvor nur der Luxusklasse vorbehalten war. Diese Maßnahmen kommunizierte Daimler-Benz vorbildlich. Mit dem Ergebnis, dass die Verkaufszahlen noch besser wurden als prognostiziert.