Unternehmensberatungsleistungen gehören heute zum selbstverständlichen Bestandteil der Wirtschaftswelt. Die Nachfrage seitens Industrie, Wirtschaft und Verwaltung ist in Deutschland seit den Anfängen in den 50er Jahren kontinuierlich gestiegen. Weltweit liegt Deutschland bei der Nachfrage nach Beratungsleistungen an zweiter Position, lediglich in den USA ist der Markt noch größer. Das Umsatzplus der Gesamtbranche lag über den Zeitraum der letzten zehn Jahre bei jährlich rund acht Prozent. Und die Tendenz ist weiter steigend: Laut einer Umfrage des Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) prognostizierte die Branche bereits für 2012 ein Wachstumsplus von sieben Prozent. Die Klienten der Beratungsunternehmen kommen hauptsächlich aus dem verarbeitenden Gewerbe (33,5 %), sind Finanzdienstleister (24,1 %), öffentliche Einrichtungen (9,4 %) oder Anbieter von Telekommunikation und Informationstechnologie (8,1 %). Der Großteil der Klientel weist Konzernstrukturen auf oder zählt zu den Großunternehmen. Hier sind die Berater fast nicht mehr wegzudenken.
In Deutschland gibt es mehr als 14.100 Beratungsunternehmen, die annähernd 91.000 Berater beschäftigen. Sie analysieren, restrukturieren und optimieren landauf landab Prozesse, entwerfen Strategien, senken Kosten, steigern die Effizienz und begleiten Zukäufe und Übernahmen. Dennoch ist der Ruf der „Consultants“ nicht der Beste. Unternehmensberater sind bewundert, gefürchtet – und verachtet. Über keinen anderen Berufszweig sind ähnlich viele Witze im Umlauf. Mal richten sie sich gegen die Marotte der Consultants, mit englischen Fachbegriffen nur so um sich zu werfen, mal gegen ihr klassisches Erscheinungsbild oder schlichtweg gegen ihre vermeintliche Kompetenz. Die Vermutung, dass dies nicht von ungefähr kommt, liegt nahe. Auch der große Fundus an beratungskritischen Büchern wie „beraten & verkauft“ oder „Versager im Dreiteiler – Wie Unternehmensberater die Wirtschaft ruinieren“ zeugt von vielen negativen Erfahrungen mit der Zunft.
Ein Problem ist sicherlich, dass es kein gesetzlich fixiertes Berufsbild mit vorgeschriebenen Bildungswegen und förmlicher Berufszulassung gibt. So ist auch die Berufsbezeichnung „Unternehmensberater“ nicht geschützt. Mit der europäischen Beraternorm ist im Jahr 2011 ein Regelwerk entstanden, dessen festen Standards sich die Unternehmensberatungen unterordnen sollen. Doch die Norm ist eine freiwillige Vereinbarung und zudem kein Garant für gute Beratungsleistungen.
Es sind vor allem prominente Fälle wie die des Modelleisenbahnherstellers Märklin, die am Ruf des kompetenten, Nutzen bringenden Beraters gekratzt haben: Für die amerikanische Unternehmensberatung Alix Partners war Märklin ein Prestige- Projekt. Der weltgrößte Modellbahnbauer war bis 2006 in Familienbesitz, stand aber zu diesem Zeitpunkt vor der Insolvenz. Der Finanzinvestor Kingsbridge galt als Retter. Für die Sanierung des Unternehmens holte man Alix Partners ins Boot. Gemeinsam verkündeten Investor und Unternehmensberatung Ende 2007 eine gelungene Sanierung. Erst später wurden die echten Geschäftszahlen bekannt.
2006 bis 2008 schrieb Märklin einen Konzernverlust von 13,6 Millionen, dann 16,6 Millionen und schließlich 21 Millionen Euro. 2009 musste der Modelleisenbahnbauer kurz vor seinem 150. Firmenjubiläum Insolvenz anmelden. Alix-Berater Ulrich Wlecke hatte Märklin nur ein Jahr zuvor als „Musterfall einer gelungenen Restrukturierung“ bezeichnet. Für die Beratungsleistung kassierte sein Unternehmen fast acht Millionen Euro.
Die in den Augen vieler mittelständischer Geschäftsführer überzogenen Honorare sind sicherlich ein Grund, der sie davon abhält, Berater zu engagieren. Ein anderer ist, dass sich die Unternehmer oftmals sehr jungen Consultants gegenüber sehen: „Das sind Greenhorns, die gerade von der Uni kommen und über keinerlei unternehmerische Erfahrung verfügen“, sagt etwa Volker Schumacher, der in zweiter Generation ein Handels- und Produktionsunternehmen östlich von Köln führt. Klaus Reiners, Sprecher des BDU, sieht weitere Gründe: „Es gibt – gerade bei familiengeführten Firmen – ein über Generationen gewachsenes Selbstverständnis, das da heißt: Wir kennen unsere Produkte und Märkte am besten und benötigen keine externe Unterstützung. Nicht selten gibt es auch Vorbehalte gegenüber dem Einsatz neuer Managementmethoden.“
Gerade Eigentümer von Marktführern, die ins Straucheln geraten, halten lieber an den altbewährten Methoden fest, als sich Rat zu holen, wie sie das Unternehmen wieder auf Kurs bekommen. So wie Anton Schlecker: Mehr als 30 Jahre lang war der Sohn eines Metzgermeisters sehr erfolgreich. Sein Imperium aber, das auf dem Höhepunkt aus 14.000 Drogeriemarktfilialen und 50.000 Mitarbeitern bestand, machte zwischen 2004 und 2010 eine halbe Milliarde Euro Verlust. Der Patriarch holte viel zu spät den Rat von Managementberatern ein. Noch im Januar 2010 sagt Anton Schlecker in einem Interview: „Wir brauchen keinen Strategieberater.“ Fünf Monate später konsultiert er notgedrungen den Unternehmensberater Norbert Wieselhuber, einen Spezialisten für Familienunternehmen.
Er und sein Team diagnostizieren eine verfehlte Preispolitik, eine vollkommen überzogene Expansionsstrategie und eine mangelnde Anpassungsfähigkeit an die Ansprüche der Kunden: Während dm seine Kundschaft mit Wickeltischen, gratis Geschenkpapier-Stationen und Wasserspendern „Mensch sein“ lässt und in den Rossmann-Filialen selbst Zwillingswagen Platz zum Manövrieren haben, bleibt Schlecker bei der wenig einladenden Minimalausstattung seiner Läden. Im Oktober 2010 holt Anton Schlecker seine Kinder in die Geschäftsführung. Die versuchen, gemäß den Empfehlungen der Berater, das Ruder mit großzügig gestalteten Filialen und einem neuen Image herumzureißen. Doch es ist zu spät: Im Januar 2012 übernimmt der Insolvenzverwalter, im Juni wird das Unternehmen abgewickelt, der Name Schlecker verschwindet aus der deutschen Markenlandschaft.
Fälle wie Schlecker gibt es im Kleinen sicherlich viele. Die Erkenntnis, dass im eigenen Unternehmen etwas schief läuft und externe Berater hilfreich sein könnten, kommt zu spät oder gar nicht. Aber selbst wenn die Erkenntnis und der Wille da sind, ein Beratungsunternehmen zu engagieren, stellen sich den Unternehmern viele Fragen: Wie finde ich den passenden Berater? Wie kann ich sichergehen, dass er seine Dienstleistung auf das Wichtigste beschränkt und mir nichts darüber hinaus verkauft? Woher kann ich wissen, dass er seine Beratungsleistung nicht zu einem überzogenen Preis anbietet?
Klaus Reiners vom BDU rät: „Bei der Auswahl und Zusammenarbeit mit Unternehmensberatern gibt es verschiedene Dinge, auf die man achten sollte: Dazu gehören wichtige Eckpunkte wie zum Beispiel ein fundiertes Projektbriefing, klare Honorarregelungen oder die Vereinbarung von Meilensteinen im Projektverlauf. Diese sind nicht immer allen Entscheidungsträgern in den Firmen geläufig.“
Bei der August Faller KG geht man einen solchen Weg – mit Erfolg. Der mittelständische Hersteller von Verpackungen, Packungsbeilagen und Etiketten für die Pharmaindustrie greift auf Berater zurück, wenn grundlegende Veränderungsprozesse anstehen oder komplexe Projekte umgesetzt werden. „Die erfahrenen Unternehmensberater leisten uns in Hinsicht auf Methoden und Kompetenzen wertvolle Unterstützung“, zieht Geschäftsführer Daniel Keesman Bilanz. „Dazu gehört kritisches Feedback zur Umsetzung der Unternehmensvision, zu unserer strategischen Planung und zur Arbeitsweise der Führungskräfte. Ihre Außenperspektive bringen die Berater so ein, dass sie zum Spiegel wird, der Erfahrung wertschätzt und dennoch einen kräftigen Anschub für Neues gibt.“ Das Feedback der Projektleiter war bisher einheitlich positiv. Die Berater hatten das Unternehmen bezüglich der inneren und äußeren Faktoren ganzheitlich erfasst. Zudem gelang es ihnen, Veränderungsdruck im Unternehmen zu initiieren, eine gewisse Resilienz zu erzeugen und die Führungskräfte dazu zu bewegen, in andere Richtungen zu denken. Die Consultants wurden von den Führungskräften nicht als Besserwisser, sondern als wertvolle Sparringspartner wahrgenommen.
Bei August Faller hat dies zu einem einheitlichen Führungsverständnis geführt. Keesman ist überzeugt: „Der Wissenstransfer, den ein Unternehmen durch gute Berater erfahren kann, hat einen positiven Effekt: Projektteilnehmer können nicht nur vom fachlichen Input profitieren, sondern auch die erworbene analytische Methodologie und Kompetenz in die Praxis übertragen. Etwa, wie sie vorgehen können, um anspruchsvolle Projekte im Unternehmen zu implementieren.“ Mittelständischen Unternehmen empfiehlt Keesman, nicht mit großen Beratungshäusern zu arbeiten, sondern mit kleineren „Boutiquen“ oder Spezialisten.