Als der Unternehmer Walter Mennekes im Jahr 2011 über die Fachmesse „Middle East Electricity“ in Dubai ging, zog der Stand einer Firma namens Manlakis sein Interesse auf sich: Nicht etwa, weil ihn die dort ausgestellten Produkte begeisterten. Nein, ihm kam der Gesamtauftritt des Unternehmens äußerst bekannt vor: Das Logo, die Farbgebung und sogar der Produktkatalog wiesen extreme Ähnlichkeiten mit denen seines sauerländischen Familienunternehmens auf. Darüber hinaus schien ihm auch die Klangähnlichkeit des Firmennamens kein Zufall zu sein: Manlakis – Mennekes. Der Inhaber des Weltmarktführers für genormte Industriesteckvorrichtungen ließ damals den Stand der Piratenfirma aus Fernost räumen. Auch den Prozess gegen Manlakis gewann er – allerdings zu einem hohen Preis.
Mit dieser Erfahrung ist Walter Mennekes nicht alleine. Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY hat ermittelt, dass deutsche Firmen durch Produkt- und Markenpiraterie pro Jahr einen Schaden von 56 Milliarden Euro erleiden. 60 Prozent der Unternehmen sind im ersten Jahr nach Produkteinführung mit Fälschungen konfrontiert, fast jedes zehnte schon im ersten Monat. Die meisten Kopien kommen aus Fernost, immer mehr stammen aber aus Deutschland – im Maschinen- und Anlagenbau laut VDMA inzwischen jede fünfte Fälschung.
Alles wird gefälscht
Und die Verletzungen von Rechten an geistigem Eigentum nehmen weiter zu. Nicht nur die Anzahl der gefälschten Waren wächst stetig, die Plagiate werden auch immer vielfältiger. Es gibt kaum Produkte, die nicht nachgeahmt werden. Waren es anfänglich vornehmlich T-Shirts, Handtaschen oder Luxusuhren, werden heutzutage praktisch alle Produkte gefälscht: Von Medikamenten über Lebensmittel bis hin zu ganzen industriellen Fertigungsanlagen. Fast 80 Prozent der Unternehmen sind ständig oder mehrmals im Jahr von Fälschungen betroffen. Verbraucher erleiden durch Plagiate finanzielle oder sogar gesundheitliche Schäden.
Die Produkt- und Markenpiraterie sowie die meist vorausgehende Wirtschaftsspionage haben sich zu einer der gravierendsten Formen von Wirtschaftskriminalität entwickelt. Im Jahr 2013 haben die EU-Zollbehörden knapp 36 Millionen rechtsverletzende Produkte im Wert von 760 Millionen Euro an den EU-Außengrenzen beschlagnahmt. Rund 79 Prozent der festgehaltenen Waren kamen aus China und Hongkong. Zu den Top Ten der Herkunftsländer gehörten aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate sowie die Türkei und zahlreiche osteuropäische Länder.
Organisierter Widerstand
Wer sich ein Bild davon machen möchte, wie dreist Nachahmer Marken, innovative Produkte oder kreative Ideen kopieren, kann dies im Museum Plagiarius in Solingen tun. Hier sind mehr als 350 Produkte der letzten 40 Jahre und der unterschiedlichsten Branchen ausgestellt. Zu sehen sind jeweils Original und Plagiat im direkten Vergleich. Initiator ist die Aktion Plagiarius e.V., die seit 1977 jährlich den Negativpreis „Plagiarius“ an Hersteller und Händler besonders dreister Plagiate und Fälschungen vergibt – Öffentlichkeitsarbeit inklusive.
Neben der Aktion Plagiarius haben sich in Deutschland auch der Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) und der „Meisterkreis“ der Plagiatsbekämpfung verschrieben. Alle drei Organisationen fördern den Erfahrungsaustausch unter Unternehmen und zwischen Wirtschaft und Politik und setzen sich für einen gesetzlichen Rahmen ein, der ein wirksames Durchsetzen der gewerblichen Schutzrechte erlaubt. Zudem betreiben sie branchenübergreifend Aufklärungsarbeit und unterstützen die Unternehmen, indem sie ihnen die wirksamsten Präventionsmaßnahmen vermitteln.
Was können die Unternehmen tun?
Dem Konfuzius zugeschriebenen Spruch „Wer den Meister kopiert, der ehrt ihn“ können durch Produktpiraterie geschädigte Unternehmen in der Regel nichts abgewinnen. Zu groß ist der wirtschaftliche Schaden durch entgangene Umsätze, durch die – nunmehr vergebliche – jahrelange Entwicklungsarbeit sowie durch teure und langwierige Gerichtsverfahren. Das sind monetäre Verluste, die sich auch auf die Beschäftigung auswirken: Weltweit bedroht die Produktpiraterie nach Schätzungen des Wirtschaftsberatungsnetzwerks Frontier Economics mindestens 2,5 Millionen Arbeitsplätze. Alleine im Maschinenbau entspricht die jährliche Umsatzeinbuße etwa 37.000 Arbeitsplätzen.
Hinzu kommt der Imageschaden, denn im Beschwerdefall müssen die Originalhersteller erst einmal nachweisen, dass sie nicht der Produzent sind. Aber auch die Maßnahmen zum Schutz vor Fälschungen sind teuer. Für eine bestmögliche Abwehr von Produkt- und Markenpiraterie empfehlen Plagiarius und APM den Unternehmen, sich sowohl juristisch als auch organisatorisch und technisch gegen den Diebstahl ihrer Daten und ihres Know-hows abzusichern. Tatsächlich sind die zur Verfügung stehenden Instrumentarien vielfältig und sollten möglichst alle genutzt werden.
Konsequente Anmeldung von Schutzrechten
Verletzungen von geistigem Eigentum können nur dann wirksam verfolgt werden, wenn die entsprechenden Schutzrechte – also nationale wie internationale Marken, Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster – angemeldet und eingetragen wurden. Dem Unternehmen eröffnen sich damit Möglichkeiten zu Unterlassungsklagen und Schadenersatzforderungen. Werden einem Hersteller Produktnachahmungen nachgewiesen, so ist dieser in Deutschland gegenüber dem geschädigten Unternehmen auskunftspflichtig und muss seine Bücher entsprechend offenlegen. Die Höhe des Schadens bemisst sich dann nach der Gesamtmenge der relevanten gefälschten Güter nach Wahl des Rechteinhabers anhand der Lizenzanalogie, des entgangenen Gewinns des Originalherstellers oder des Verletzergewinns, der durch den Verkauf der Fälschungen erzielt wurde.
„Auch in China können Unternehmen sich Rechte an Marken, Patenten, Gebrauchs- oder Geschmacksmustern, Pflanzensorten sowie Topographien von Schaltkreisen registrieren lassen“, erklärt Dr. Richard Dissmann, Partner und Mitglied der Practice Group Gewerblicher Rechtsschutz der Kanzlei Bird &Bird. „Das ist empfehlenswert, da auch in der Volksrepublik die Anerkennung geistigen Eigentums von einer vorherigen Registrierung abhängt. Ohne Anmeldung ist daher das Kopieren in vielen Fällen legal. Auch wenn man gar nicht vorhat, in naher Zukunft auf den chinesischen Markt zu gehen, können Schutzrechtsanmeldungen in China und gegebenenfalls wichtigen Drittmärkten daher sinnvoll sein. Denn wo keine Schutzrechte angemeldet sind, können die betreffenden Produkte nachgebaut werden und im Land selbst, aber auch in allen Drittländern, ohne Schutzrechtsanmeldung grundsätzlich legal verkauft werden.“
Produktkennzeichnung
Neben der juristischen Absicherung, kommt der fälschungssicheren Kennzeichnung der Produkte eine immer größere Bedeutung zu. Ließen die technischen Möglichkeiten früher lediglich die – wenig fälschungssichere – Kennzeichnung mit Logo, Seriennummer etc. zu, bietet der Stand der Technik mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, fälschungssichere Schutzmechanismen bereits während der Entwicklung ins Produkt einzubringen. Dazu gehören so genannte Track + Trace-Systeme, hochauflösende Beschriftungsverfahren, Lasergravuren, spezielle Versiegelungen, stück-individuell codierte Sicherheitsetiketten etc.
Einer der marktführenden Lösungsanbieter auf diesem Gebiet ist tesa scribos®. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Heidelberg bietet alle der genannten Schutzmechanismen einzeln und in Kombination an. Die Basis für den Schutz vor Produkt- und Markenpiraterie bilden stück-individuelle Sicherheitsetiketten, die auf die zu schützenden Produkte aufgebracht werden. Jedes einzelne Originalprodukt erhält damit eine eigene Identität und ist von Fälschungen eindeutig unterscheidbar. Diese Sicherheitsetiketten werden von tesa scribos® mittels eines selbstentwickelten, patentierten Laser-Beschriftungsverfahren beschrieben, sodass sie mit verfügbaren Markttechnologien nicht kopiert oder reproduziert werden können.
Diese Sicherheitsmarkierungen können verbunden werden mit dem Track & Trace-System tesa® trust & trace oder auch mit der Online-Prüfplattform tesa® connect & check. Diese Plattform bietet allen relevanten Zielgruppen – vom Hersteller über den Verbraucher bis hin zum Ermittler und Zollbeamten – die Möglichkeit, die Echtheit von mit fälschungssicheren Markierungen ausgestatteten Produkten einfach online zu überprüfen. Darüber hinaus gewinnt der Markeninhaber dadurch detaillierte Markdaten, beispielsweise zu Ort und Zeit der Echtheitsprüfungen. Die tesa® connect & check Plattform bietet zusätzlich die Möglichkeit zu so genannten CRM (Customer Relationship Management) Aktivitäten wie Gewinnspiele oder Loyalitätsprogramme für Kunden. tesa scribos® ist Partner der Weltzollorganisation und über die Anbindung an deren Online-Datenbank „IPM Connected“ Teil eines weltweiten Informationsnetzes für Zollbeamte und Markeninhaber.
Kooperation mit dem Zoll
Stichwort Zoll: Auch die Zusammenarbeit mit dem Zoll wird von APM und Plagiarius dringend empfohlen. Zum Beispiel im Vorfeld von Messen. Denn Fachmessen bieten nicht nur Originalherstellern die Gelegenheit, ihre Produktneuheiten vorzustellen. Auch Fälscher nutzen solche Ausstellungen, um ihre vermeintlichen Innovationen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Neben den unternehmenseigenen Maßnahmen, wie etwa der Verhängung eines Fotografierverbots auf dem Messestand oder dem Einsatz von Mitarbeitern als verdeckte Ermittler auf dem Messegelände zur Aufdeckung von Plagiaten, empfiehlt es sich im Vorfeld der Messe Kontakt zum Zoll aufzunehmen, um zu vereinbaren, dass im Fall der Fälle eine Sondereinsatzgruppe des Zolls medienwirksam die entsprechenden Waren beschlagnahmt.
Aber auch an den Grenzen sind Kooperationen mit dem Zoll sinnvoll. Da die Zollbehörden in der Regel keine spezifischen Kenntnisse der Produktmerkmale haben, um potenzielle Schutzrechtsverletzungen zu erkennen, kann man das Bewusstsein der Zollbeamten für eine Marke und deren Fälschungen mit regelmäßigen Schulungen schärfen – eine Maßnahme, zu der besonders große, international agierende Mittelständler greifen.
Quelle: brandzeichen 2017