Der Werteverfall: Ein Blick auf die Realität
Der Werteverfall schreitet voran! Diese Parole konservativer Politiker könnte nicht weiter von der Realität entfernt sein. Nie haben wir ethischer gehandelt als heute, nie so deutlich abgewogen in unserem sozialen und persönlichen Handeln. Werte verbinden und entzweien, doch sie sind dabei stets um uns herum.
Sokrates' Perspektive: Das Richtige tun
"Wer weiß, was richtig ist, wird auch das Richtige tun." So lautet die Zusammenfassung aus einem Dialog des griechischen Philosophen Sokrates bei Plato. Der Denker, der vor rund 1.600 Jahren im antiken Athen lebte, beschäftigte sich ausführlich mit Fragen der Moral und Werte. Der Satz sollte für ihn einen Anstoß bieten, das Handeln eines Menschen im Bezug auf das, was er als richtig zu sehen glaubt, zu erklären. Doch stimmt es? Tun wir immer das, von dem wir wissen, dass es richtig wäre? Sind wir vernünftig, sozial und stets auf Konsequenzen bedacht?
Die Vielfalt menschlicher Werte
Unsere Werte diktieren uns, wie für uns richtiges Handeln aussieht und wir fühlen uns im Recht, wenn wir uns nach ihnen richten. Doch bald acht Milliarden Menschen auf der Erde bringen auch acht Milliarden Versionen davon in das öffentliche Leben ein, was sie zu ihren Werten zählen. Ein Wertegerüst auf das wir uns in Mitteleuropa gern einigen ist das der abrahamitischen Religionen bzw. des Christentums. Tu Gutes. Liebe deinen Nächsten. Ehre deine Eltern. Nicht zuletzt: Du sollst nicht töten. Wie hat dieses Grundgerüst einer universalen Moral unser Zusammenleben verändert?
Die Bedeutung von Werten in der Gesellschaft
Ohne Werte wäre die menschliche Gemeinschaft in ihrer heutigen Form nicht möglich gewesen. Zusammenleben, das darauf aus ist, nur den eigenen Vorteil zu sehen, wäre zum Scheitern verurteilt. Warum sollten Sie Ihrem Nachbarn ein Brot verkaufen, wenn Sie es auch selbst essen könnten? Wozu brauchen wir eine Straßenverkehrsordnung, wenn wir schneller ohne Regeln am Ziel wären? Warum nehmen wir uns nicht einfach alles, was wir sehen; Lebensmittel im Supermarkt, das Fahrrad des Nachbarn oder das Smartphone eines Passanten? Die Antworten sind in unseren Werten verankert, die uns als Kind bereits beigebracht werden. Andere Menschen haben Rechte, wie wir. Sie haben ein Recht auf Unversehrtheit, freie Entfaltung, dürfen essen, arbeiten, lieben oder Sport treiben. Nur wenn wir sie achten, achten sie uns.
Diese einfachen Werte werden im Laufe unseres Lebens komplexer. Wir lernen, warum man Arme, Alte und Kranke unterstützen sollte. Sicher haben Sie schon einmal über Ihre Ernährung nachgedacht. Avocados trotz Wasserkrise? Fleisch trotz Massentierhaltung? Oft entscheiden wir uns für das, was uns richtig erscheint. Und wahrscheinlich ist es das, was Sokrates in den "Menon" Dialogen andeutet.
Freier Wille als Antrieb für Werte
Die ersten Menschen mussten sich entscheiden. Sie hatten die Wahl zwischen dem Leben in einer sicheren Gruppe mit Werten oder dem Leben in Isolation im Kampf um das Überleben. Ihre Werte waren verglichen mit heutigen Lebensweisen simpel. Sie teilten sich Aufgaben zu und mussten sie erledigen. Sie ließen die Familien der anderen in Ruhe und konnten dafür eine eigene Familie großziehen. Später kamen Bestrafungen hinzu für alle, die sich den Regeln entzogen. Die erste große Weltreligion, das Judentum, die an nur einen Gott glaubte, definierte die Werte neu und allgemeingültig. Die religiöse Komponente Gott kam hinzu. Ein höheres Wesen, das alles schuf und wieder vernichten konnte. Dieser Gott hatte den Menschen den freien Willen, aber auch Werte hinterlassen. Was sie daraus machten, würde ihr Schicksal bestimmen.
Einige Tausend Jahre später haben wir es noch immer selbst in der Hand. In vielen Bereichen stellen wir die Werte nicht mehr infrage. Jeder Mensch hat das Recht auf ein eigenes Leben in Freiheit. Das sehen fast alle Menschen auf dem Planeten so, und zwar unabhängig von Religion und Ethnie. Die neuen Werte orientieren sich an der Art wie und wo wir leben, unserer Herkunft, Sprache, aber auch unseren finanziellen Mitteln. Wir wollen eine Basis schaffen, auf der wir als Menschheit zusammenleben können. Wir erfahren die Notwendigkeit, wenn uns das nächste starke Unwetter trifft und der Meeresspiegel steigt. Sind wir erkrankt, hoffen wir, dass uns jemand pflegt. Aber wir können auch abstrahieren und uns vorstellen, wie es wäre, krank zu sein.
Moderne Werte und ihr Einfluss auf unsere Welt
Moderne Werte passen sich dem Wissensstand an. Damit sind wir heute näher denn je an der Quintessenz des Wissens der Antike. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden in Werte übertragen. Wir wissen, das Klima verändert sich, also überzeugen wir Menschen davon, gemeinschaftlich eine Lösung zu finden und die Umweltzerstörung zu reduzieren. In reichen Industrienationen schauen wir nicht mehr weg, wenn wir das Elend in der "Dritten Welt" sehen. Wir beschäftigen uns damit, wie wir nachhaltig helfen können, auch wenn wir die betroffenen Menschen nie kennenlernen werden. Wir handeln nicht mehr moralisch, weil uns ein direkter Nachteil entsteht, sondern weil das Handeln nach bestem Wissen und Gewissen zu einem neuen Wert wird.
Unternehmenswerte: Die Verantwortung von Unternehmen
Immer stärker überträgt sich diese Verantwortung auch auf Unternehmen. Nicht mehr der Einzelne setzt das durch, was er als richtig erachtet, auch wir als Unternehmer (Unternehmenswerte) übernehmen unsere Pflichten. Unsere Werte sind uns wichtig - darum setzen wir sie durch.