Cultural Web-Modell von Johnson und Scholes
Glossar

Cultural Web-Modell

Analyse und Gestaltung der Organisationskultur durch sechs interdependente Elemente.

Ursprünge und Entwicklung des Modells

Das Cultural Web-Modell wurde in den frühen 1990er Jahren von Gerry Johnson und Kevan Scholes entwickelt und ist Teil ihres umfassenderen Werks zur strategischen Unternehmensführung. Dieses Modell entstand aus der Erkenntnis, dass Unternehmenskultur ein komplexes Phänomen ist, das tief in den täglichen Praktiken und Überzeugungen einer Organisation verwurzelt ist. Johnson und Scholes erkannten, dass erfolgreiche strategische Veränderungen nicht nur eine Anpassung der Prozesse und Strukturen erfordern, sondern auch ein tiefes Verständnis und eine Transformation der bestehenden Kultur.


Grundlagen des Cultural Web-Modells

Das Cultural Web-Modell besteht aus sechs Elementen, die zusammen das "Kulturweb" einer Organisation bilden. Diese Elemente sind Geschichten, Rituale und Routinen, Symbole, Machtstrukturen, Organisationsstrukturen und Kontrollsysteme. Jedes Element trägt dazu bei, die Kultur einer Organisation zu definieren und zu verstärken. Im Kern des Modells steht die Idee, dass die Kultur einer Organisation nicht nur durch formelle Strukturen und Richtlinien geprägt wird, sondern auch durch informelle und oft unbewusste Praktiken und Überzeugungen.


Bedeutung des Cultural Web-Modells

Die Bedeutung des Cultural Web-Modells liegt in seiner ganzheitlichen Perspektive auf die Unternehmenskultur. Es ermöglicht Führungskräften und Managern, nicht nur die offensichtlichen, sondern auch die subtilen und oft verborgenen Aspekte der Kultur zu erkennen und zu verstehen. Dieses Verständnis ist entscheidend für die effektive Implementierung von Veränderungen, da es ermöglicht, Widerstände zu erkennen und zu adressieren und die Kultur gezielt weiterzuentwickeln.


Unterscheidung zu anderen Modellen der Organisationskultur

Im Vergleich zu anderen Modellen der Organisationskultur, wie dem von Edgar Schein oder dem McKinsey 7S-Modell, zeichnet sich das Cultural Web durch seinen Fokus auf die narrativen und symbolischen Aspekte der Kultur aus. Während Scheins Modell sich auf drei Ebenen der Kultur konzentriert (Artefakte, bekundete Werte und Grundannahmen) und das 7S-Modell sich auf die Struktur und Strategie fokussiert, betrachtet das Cultural Web die Kultur aus einer breiteren, mehrdimensionalen Perspektive. Es anerkennt, dass Kultur nicht nur in den offiziellen Regeln und Verfahren einer Organisation lebt, sondern auch in den alltäglichen Handlungen, Geschichten und Symbolen, die die Mitarbeiter tagtäglich erleben.


Die sechs Elemente des Cultural Web

Das Cultural Web-Modell von Johnson und Scholes identifiziert sechs Schlüsselelemente, die die Unternehmenskultur einer Organisation prägen und definieren. Jedes dieser Elemente interagiert miteinander und beeinflusst das Gesamtbild der Kultur innerhalb einer Organisation.

1. Geschichten

Geschichten spielen eine zentrale Rolle in der Formung und Vermittlung der Kultur einer Organisation. Sie umfassen Anekdoten, Legenden, Mythen und Erzählungen über bedeutende Ereignisse oder Personen, die innerhalb der Organisation geteilt werden. Diese Geschichten können Aufschluss darüber geben, was innerhalb der Organisation geschätzt wird, welche Verhaltensweisen belohnt oder missbilligt werden und wie die Vergangenheit die gegenwärtige Kultur beeinflusst. Sie können auch als Mittel dienen, um Werte und Normen zu vermitteln, sowohl implizit als auch explizit.

2. Rituale und Routinen

Rituale und Routinen sind die wiederkehrenden Aktivitäten und Praktiken, die zum Alltag in einer Organisation gehören. Sie reichen von täglichen Arbeitsabläufen bis hin zu speziellen Ereignissen und Zeremonien. Diese Routinen und Rituale schaffen ein Gefühl der Vertrautheit und Kontinuität und tragen zur Formung des Verhaltens der Mitarbeiter bei. Sie reflektieren und verstärken die Werte und Überzeugungen der Organisation und können als Indikatoren für die zugrunde liegende Kultur dienen.

3. Symbole

Symbole sind die visuellen, physischen oder sprachlichen Manifestationen, die für die Kultur einer Organisation stehen. Dazu gehören das Firmenlogo, die Gestaltung der Arbeitsumgebung, die Art der Kleidung, die Mitarbeiter tragen, und die Art und Weise, wie sie miteinander kommunizieren. Symbole können subtil oder offensichtlich sein und bieten oft einen tiefen Einblick in das, was in einer Organisation als wichtig erachtet wird.

4. Machtstrukturen

Die Machtstrukturen in einer Organisation zeigen auf, wer die tatsächlichen Entscheidungsträger sind und wer Einfluss auf die strategische Ausrichtung und täglichen Operationen hat. Dies schließt nicht nur formelle Hierarchien ein, sondern auch informelle Netzwerke und Beziehungen. Die Machtstrukturen können Aufschluss darüber geben, welche Gruppen oder Individuen die Kultur am stärksten prägen und inwieweit sich dies auf die Strategie und Leistung der Organisation auswirkt.

5. Organisationsstrukturen

Die Organisationsstrukturen definieren, wie eine Organisation aufgebaut ist und wie sie funktioniert. Dies beinhaltet die Hierarchieebenen, die Abteilungsstrukturen, die Berichtswege und die Kommunikationskanäle. Diese Strukturen können die Arbeitsweise der Mitarbeiter stark beeinflussen und spiegeln oft die Werte und Überzeugungen der Organisation wider. Sie können auch Aufschluss darüber geben, wie flexibel oder starr eine Organisation auf Veränderungen reagiert.

6. Kontrollsysteme

Die Kontrollsysteme einer Organisation umfassen die Prozesse und Mechanismen, die zur Überwachung, Steuerung und Bewertung der Leistung verwendet werden. Dazu gehören finanzielle Kontrollen, Qualitätskontrollen, Belohnungs- und Anreizsysteme sowie Leistungsbeurteilungsverfahren. Diese Systeme zeigen, worauf die Organisation Wert legt, wie sie Erfolg definiert und wie sie ihre Mitarbeiter motiviert und führt.

Zusammen bilden diese sechs Elemente ein komplexes Netz, das die Kultur einer Organisation bildet und aufrechterhält. Durch die Analyse jedes einzelnen Elements können Führungskräfte und Manager ein tiefes Verständnis der vorherrschenden Kultur gewinnen und Ansatzpunkte für gezielte Veränderungen identifizieren.


Anwendung des Cultural Web-Modells

Verständnis der Bestehenden Kultur

Das Cultural Web-Modell bietet einen Rahmen, um die tieferen Aspekte der Organisationskultur zu erfassen und zu verstehen. Organisationen können das Modell verwenden, um ihre derzeitige Kultur zu analysieren, indem sie jedes der sechs Elemente - Geschichten, Rituale und Routinen, Symbole, Machtstrukturen, Organisationsstrukturen und Kontrollsysteme - betrachten und bewerten.

  • Analyse der Geschichten und Rituale: Durch das Sammeln und Analysieren von Geschichten und Ritualen, die innerhalb der Organisation geteilt werden, können Führungskräfte ein besseres Verständnis dafür entwickeln, welche Werte und Überzeugungen tatsächlich gelebt werden.
  • Beobachtung der Symbole: Die Überprüfung der in der Organisation verwendeten Symbole hilft dabei, das implizite Wertesystem zu verstehen.
  • Bewertung der Macht- und Organisationsstrukturen: Die Analyse, wer Einfluss hat und wie Entscheidungen getroffen werden, bietet Einsichten in die tatsächlichen Machtverhältnisse und Arbeitsabläufe.
  • Überprüfung der Kontrollsysteme: Die Art und Weise, wie Leistung gemessen und bewertet wird, gibt Aufschluss darüber, welche Verhaltensweisen gefördert und belohnt werden.

Identifizierung von Problembereichen

Sobald die aktuelle Kultur verstanden ist, können Organisationen Bereiche identifizieren, in denen die bestehende Kultur nicht mit ihren strategischen Zielen übereinstimmt. Diese Diskrepanzen können Hindernisse für Wachstum und Effizienz darstellen.

Initiierung von Veränderungen

Das Cultural Web-Modell kann auch genutzt werden, um Veränderungsinitiativen zu planen und umzusetzen. Durch gezielte Eingriffe in die verschiedenen Elemente des Cultural Web können Organisationen versuchen, ihre Kultur zu verändern. Zum Beispiel kann die Einführung neuer Rituale oder das Umgestalten von Symbolen dazu beitragen, neue Werte und Normen zu etablieren.


Detaillierte Anleitung zur Implementierung des Cultural Web-Modells

Schritt 1: Vorbereitung und Einbindung

  • Teamzusammenstellung: Bilden Sie ein vielfältiges Team aus verschiedenen Bereichen der Organisation, das die verschiedenen Perspektiven innerhalb der Organisation widerspiegelt.
  • Kommunikation der Ziele: Informieren Sie die Organisation über die Ziele und den Prozess der Analyse. Dies fördert Transparenz und Akzeptanz.

Schritt 2: Erfassung der aktuellen Kultur

  • Analyse der sechs Elemente: Führen Sie Workshops und Diskussionen durch, um jedes Element des Cultural Web zu erfassen und zu analysieren:
    • Geschichten: Sammeln Sie Geschichten und Anekdoten, die innerhalb der Organisation zirkulieren.
    • Rituale und Routinen: Beobachten Sie die täglichen Praktiken und wiederkehrenden Aktivitäten.
    • Symbole: Identifizieren Sie wichtige Symbole, die in der Organisation verwendet werden.
    • Machtstrukturen: Analysieren Sie die informellen und formellen Machtverhältnisse.
    • Organisationsstrukturen: Bewerten Sie die formellen Strukturen und Berichtswege.
    • Kontrollsysteme: Überprüfen Sie die bestehenden Kontroll- und Bewertungsmechanismen.

Schritt 3: Identifikation von Diskrepanzen und Problembereichen

  • Vergleich mit strategischen Zielen: Vergleichen Sie die erfassten Kulturaspekte mit den strategischen Zielen der Organisation. Identifizieren Sie Bereiche, in denen die aktuelle Kultur diese Ziele unterstützt oder behindert.

Schritt 4: Entwicklung eines Aktionsplans

  • Priorisierung von Veränderungen: Bestimmen Sie, welche Elemente des Cultural Web verändert werden müssen, um die gewünschte Kultur zu erreichen.
  • Erstellung eines detaillierten Plans: Entwickeln Sie einen Aktionsplan, der spezifische Schritte, Zeitrahmen und Verantwortlichkeiten umfasst.

Schritt 5: Umsetzung von Veränderungen

  • Kleine Schritte zuerst: Beginnen Sie mit kleineren, leichter umsetzbaren Veränderungen, um Momentum aufzubauen.
  • Kommunikation: Kommunizieren Sie regelmäßig den Fortschritt und die Erfolge der Veränderungsinitiativen.
  • Einbindung der Mitarbeiter: Fördern Sie die aktive Beteiligung der Mitarbeiter an den Veränderungen durch Workshops, Feedback-Sessions und regelmäßige Updates.

Schritt 6: Überwachung und Anpassung

  • Regelmäßige Überprüfung: Führen Sie regelmäßige Reviews durch, um den Fortschritt zu bewerten und notwendige Anpassungen vorzunehmen.
  • Feedback einholen: Sammeln Sie Feedback von den Mitarbeitern, um zu verstehen, wie die Veränderungen wahrgenommen werden und welche Auswirkungen sie haben.

Schritt 7: Verankerung der neuen Kultur

  • Integration in Prozesse und Systeme: Stellen Sie sicher, dass die veränderten Elemente des Cultural Web in die täglichen Prozesse und Systeme integriert werden.
  • Langfristige Pflege: Betrachten Sie die Kulturveränderung als einen kontinuierlichen Prozess und pflegen Sie die neuen Kulturelemente langfristig.

Kritik und Grenzen des Modells

Herausforderungen in der Anwendung

  • Subjektivität: Die Analyse der Unternehmenskultur anhand des Cultural Web-Modells kann subjektiv sein. Verschiedene Personen können dieselben Elemente unterschiedlich interpretieren.
  • Komplexität: Die Komplexität und Vernetzung der Elemente kann es schwierig machen, eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu identifizieren.
  • Dynamik der Kultur: Unternehmenskultur ist dynamisch und kann sich im Laufe der Zeit ändern, was eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung erfordert.

Grenzen des Modells

  • Fokus auf interne Faktoren: Das Modell konzentriert sich stark auf interne Aspekte der Organisation und vernachlässigt möglicherweise externe Einflüsse wie Marktveränderungen oder gesellschaftliche Trends.
  • Mögliche Widerstände: Veränderungen in der Unternehmenskultur können auf erheblichen Widerstand stoßen, und das Modell bietet keine spezifischen Lösungen für die Überwindung dieser Herausforderungen.
  • Übergeneralisierung: Das Modell könnte dazu führen, dass komplexe und einzigartige Aspekte der Kultur einer Organisation übergeneralisiert oder vereinfacht werden.

Fazit

Das Cultural Web-Modell von Johnson und Scholes bietet einen umfassenden und mehrdimensionalen Ansatz zur Analyse und Gestaltung der Unternehmenskultur. Durch die Untersuchung der sechs Schlüsselelemente - Geschichten, Rituale und Routinen, Symbole, Machtstrukturen, Organisationsstrukturen und Kontrollsysteme - können Organisationen ein tiefgreifendes Verständnis ihrer aktuellen Kultur gewinnen. Dieses Verständnis ist entscheidend für die erfolgreiche Implementierung von Veränderungen und die Ausrichtung der Kultur mit den strategischen Zielen der Organisation.

Die Stärke des Modells liegt in seiner Fähigkeit, sowohl die offensichtlichen als auch die subtilen Aspekte der Unternehmenskultur zu erfassen. Es hebt die Bedeutung von Narrativen und Symbolen hervor und bietet einen breiteren Blickwinkel als viele traditionelle Modelle der Organisationskultur. Diese ganzheitliche Perspektive ermöglicht es Führungskräften, die verborgenen Dynamiken und impliziten Werte innerhalb ihrer Organisation zu verstehen, die das Verhalten der Mitarbeiter und die Entscheidungsfindung beeinflussen.

Allerdings bringt das Modell auch Herausforderungen und Grenzen mit sich. Die Subjektivität in der Interpretation der Kulturelemente, die Komplexität der Kultur als dynamisches Phänomen und die Fokussierung auf interne Faktoren können die Anwendung des Modells erschweren. Darüber hinaus sind mögliche Widerstände gegen kulturelle Veränderungen und die Gefahr der Übergeneralisierung wichtige Aspekte, die berücksichtigt werden müssen.

Trotz dieser Herausforderungen bleibt das Cultural Web-Modell ein wertvolles Werkzeug für Organisationen, die ihre Kultur verstehen und formen möchten. Es bietet eine solide Grundlage für Führungskräfte, um kulturelle Veränderungen bewusst zu steuern und sicherzustellen, dass ihre Unternehmenskultur ihre strategischen Ziele unterstützt. In einer Welt, in der die Unternehmenskultur zunehmend als Schlüsselfaktor für den Erfolg anerkannt wird, bietet das Cultural Web-Modell praktische Einsichten und Ansätze, um diese wichtige Dimension effektiv zu managen.

Machen Sie den ersten Schritt zu einer transformierten Unternehmenskultur

Entdecken Sie, wie das Cultural Web-Modell Ihre Organisation revolutionieren kann! Wir sind wir Experten darin, Unternehmen wie Ihres dabei zu unterstützen, ihre Kultur zu verstehen, zu analysieren und effektiv zu gestalten. Unsere maßgeschneiderten Beratungslösungen bieten Ihnen tiefe Einblicke und praktische Strategien, um Ihre Unternehmenskultur in Einklang mit Ihren strategischen Zielen zu bringen.

Unverbindlichen Beratungstermin vereinbaren

Newsletter

Erhalten Sie monatlich News rund um die Themen:

Unternehmensführung, Marke, Ertragssteigerung, Mitarbeiterbindung, Digitalisierung, CSR

Kontakt aufnehmen

WCG®
Garnisonsring 33
57072 Siegen
Germany

info@wcg.de
Phone +49 271 3135-0
Fax +49 271 3135-199
WCG Seit 1993

Auszeichnungen

Auszeichnungen sind ein Qualitätsmerkmal! Überzeugen Sie sich selbst!

Social-Media

Finden Sie uns im Bereich Social Media. Folgen Sie uns, um tagesaktuell informiert zu werden.