Marke

Eine starke Marke dehnt und streckt sich

edding bringt seit einigen Jahren sortimentsfremde Produkte auf den Markt und eröffnet sich so weitere Geschäftsfelder. Die oberste Prämisse dabei lautet: Das Produkt muss zur Marke passen.

Lea Heuchtkötter

Das Familienunternehmen edding hat etwas geschafft

Das Familienunternehmen edding hat etwas geschafft, wovon Markenstrategen träumen: edding ist nicht nur eine starke Marke, sondern ein fester Begriff in der Alltagssprache in Deutschland und darüber hinaus geworden: so wie man von ‚kärchern‘ spricht, wenn man den Hochdruckreiniger bedient, oder vom ‚Tempo‘, wenn man ein Papiertaschentuch benötigt, spricht man vom ‚edding‘, wenn man einen Permanent Marker meint. Eine reife Leistung – die noch bemerkenswerter wird, wenn man weiß, dass der ‚edding No. 1‘ als reine Industrieanwendung startete. Auch heute, 57 Jahre nach Gründung des Unternehmens durch Carl-Wilhelm Edding und Volker Detlef Ledermann, macht edding nur 30 Prozent seines Umsatzes mit Privatkunden, weitere 30 Prozent entfallen auf Büros und Schulen, der Rest – und damit größte Anteil – auf die Industrie. Aus dem 2-Mann-Betrieb mit einem Startkapital von 500 D-Mark ist eine globale Marke geworden, die einen Konzernumsatz von mehr als 138 Millionen Euro (2015) erwirtschaftet. Inzwischen hat edding Niederlassungen auf der ganzen Welt, die Produkte werden in mehr als 100 Ländern verkauft.

Über die Jahrzehnte ist das ursprüngliche Portfolio mächtig angewachsen: Zum edding No. 1 gesellten sich bis heute über 150 Spezialmarker für jede Anwendung und Oberfläche sowie eine breite Palette an unterschiedlichen Filz- und Faserschreibern. Unter der Marke Legamaster vertreibt die edding Gruppe zudem Flipcharts, Weißwandtafeln, Moderationstafeln und interaktive Lösungen wie e-Screens für Schule und Arbeitswelt. Die jüngsten Produkte im edding-Portfolio sind Tintenpatronen, Permanent Sprays und Nagellacke. Wie bitte? Nagellacke? Das ist eine Nachfrage wert!

Die Herausforderungen als Chance genutzt

Um zu erfahren, wie edding auf die Idee kam, in den nicht gerade unterbesetzten Beauty-Markt einzusteigen, machen wir uns auf den Weg in die Unternehmenszentrale nach Ahrensburg bei Hamburg. In dem freundlichen, lichtdurchfluteten Bau empfangen uns Vertriebsvorstand Thorsten Streppelhoff und die für den edding L.A.Q.U.E. – so der Name der Nagellacke – zuständige Product Managerin Cornelia Steinborn. „Seit 2010 bauen wir das Portfolio und die Märkte der edding Group stetig weiter aus“, erläutert Streppelhoff, der das Unternehmen gemeinsam mit Per Ledermann, CEO und Sohn eines der beiden Gründer, sowie Sönke Gooss (CFO) führt. „Auslöser war die Wirtschaftskrise 2009. Da wir einen relevanten Teil unseres B2B-Umsatzes bspw. mit Automobilherstellern erzielen, hatte auch uns deren Absatzflaute in Mitleidenschaft gezogen. Um unabhängiger von der eher zyklischen industriellen Nachfrage zu werden, wollten wir fortan mit unserer starken Marke noch deutlich stärker im B2C-Geschäft wachsen.“

Die Marke als Dreh- und Angelpunkt

„Das war damals kein einsamer Vorstandsbeschluss, sondern das Ergebnis einer Strategienacht mit allen Mitarbeitern“, erinnert sich Streppelhoff. „Bereits in dieser Nacht wurden erste Ideen für neue Produkte geäußert.“ Während der übliche Weg bei Produktneuentwicklungen über Trendscouting und Konsumentenbefragungen führt,  entschied man sich bei edding für eine andere Herangehensweise und stellte die Marke selbst in den Mittelpunkt. „Die zentrale Frage ist immer: Zahlt das neue Produkt auf unsere Markenwerte ein?“, erläutert Streppelhoff das Vorgehen. „In unserem Fall sind das der Markenkern Ausdruckskraft, flankiert von den funktionalen Markenattributen langlebig und robust sowie den emotionalen Markenattributen kreativ und authentisch.“

Drei Markendehnungsprojekte in fünf Jahren

Anstatt – wie in der Vergangenheit – das bestehende Sortiment mit verwandten Produkten zu erweitern, betreibt edding seither eine klassische Markendehnung mit wirklich neuen Produkten in neuen Kategorien außerhalb der bisherigen Sortimentskompetenz. Auf diese Art und Weise hat das Unternehmen seit 2010 beachtliche drei Markendehnungsprojekte im Markt platziert: Zunächst stieg edding in das Geschäft mit kompatiblen Tintenpatronen ein. „Dieser über ein Lizenzmodell realisierte Product Launch war für unser Unternehmen der erfolgreichste der letzten 25 Jahre“, so Streppelhoff. „Mit den Druckerpatronen konnten wir früh einen siebenstelligen Umsatz an den Handel erzielen. In 2015 waren es dann bereits mehr als 5 Mio. Euro, und das in einem rückläufigen Gesamtmarkt.“

Es folgten die Permanent Sprays. Die Idee zur Entwicklung dieser Alternative zu Farbtopf und Pinsel war bereits in der erwähnten Strategienacht entstanden und in den Folgejahren entwickelt und realisiert worden. Der Clou: Die Spraydosen enthalten nicht nur Acryllack in bewährter edding-Qualität. Mit der den Verschlüssen der Permanent Marker nachgeahmten Flügelkappe als Deckel sehen sie auch wie echte eddings aus. Das Design mit dem hohen Wiedererkennungswert erhielt 2015 den begehrten German Design Award in Gold. Auch der Markt nahm das neue Produkt gut an: In 2015 erzielte edding mit den Permanent Sprays bereits einen Umsatz von über 1 Mio. Euro.

L.A.Q.U.E. – der edding unter den Nagellacken

Dann folgte mit der Nagellackreihe edding L.A.Q.U.E. das sicherlich gewagteste Markendehnungsprojekt. „Auch für dieses Produkt war der Brand-Fit das zentrale Kriterium“, schildert Product Managerin Cornelia Steinborn. „Nicht nur passt Nagellack sehr gut zu unseren Markenwerten, der edding L.A.Q.U.E. erfüllt darüber hinaus auch noch alle Erwartungen, die eine Frau an einen Nagellack hat: Dank des breiten Reservoir-Pinsels ist er leicht aufzutragen, er ist hoch-deckend, trocknet schnell, ist ultraresistent gegen Kratzer und Absplittern, sowie lange haltbar.“

Nachdem die Idee stand, sicherte edding sie mit Marktstudien und einer Konsumentenbefragung ab. „Für uns war wichtig zu wissen, ob unser USP der Haltbarkeit stark genug war und ob die Kunden uns ein solches Beauty-Produkt überhaupt zutrauen“, so Steinborn. „Es zeigte sich, dass edding in der Verbraucherwahrnehmung genau dort stark ist, wo Nagellack Schwächen hat.“ Die Ergebnisse ermunterten edding, das Projekt durchzuziehen. Steinborn testete ein Jahr lang mögliche Partner für die Entwicklung des Lacks, der ja die erwähnten Attribute haben musste. Parallel fand sie einen Designer, der die Flaschen entwarf, „denn wichtig war nicht nur, was in die Flasche kommt, sondern auch, wie diese aussehen sollte“, schildert die Brand Managerin. „Nur eines war gesetzt: die Kappe im Flügeldesign. Sie signalisiert unverkennbar, dass es sich um ein Produkt von edding handelt.“

Weil der Nagellack-Markt bereits von starken Playern besetzt ist, kam es für edding darauf an, sich von der etablierten Konkurrenz nicht nur in Bezug auf den USP sowie hinsichtlich der Optik und Haptik der Flasche zu differenzieren, sondern auch bezüglich der Kommunikation. „Die Kommunikation der anderen Anbieter in diesem Segment ist extrem austauschbar: Alle stellen die Schönheit in den Vordergrund. Sie werben mit attraktiven Frauen und schönen Händen, mit viel Gold, Glamour und Glitzer. Davon wollten und mussten wir uns unterscheiden. Unsere Story stand schnell fest: Wir bieten starken Lack für starke Frauen; wir wenden uns an die Selbstbewussten, die Aktiven, die Unabhängigen. Aber wir waren uns unsicher, wie weit wir in der Kommunikation gehen durften. Denn es war klar, dass sie stark von der übrigen edding-Kommunikation würde abweichen müssen“, erinnert sich Steinborn. Man entschied sich schließlich dafür, in den Key Visuals das Produkt und seine Funktionalität in den Vordergrund zu stellen, flankiert von Slogans wie ‚P.O.W.E.R. statt püppchen‘, oder ‚zeig K.R.A.L.L.E.N. ohne kratzer‘. Für einzelne Aktionen ging edding sogar so weit, einen provokanten – und selbstverständlich lackierten – Mittelfinger mit der Aufforderung ‚L.A.Q.U.E. mich‘ zu zeigen.

Seit knapp zwei Jahren ist der L.A.Q.U.E. nun in ausgewählten Parfümerien, Kauf- und Warenhäusern sowie in Online-Shops erhältlich. Auch bei einigen höherwertigen Papeterie-Fachgeschäften wird der Nagellack des Markier-Spezialisten angeboten. Auf der Distributions- und Umsatzseite haben sich jedoch noch nicht alle Erwartungen der Ahrensburger erfüllt: „Bei der Akquise von geeigneten Handelspartnern haben wir sicherlich noch Luft nach oben. Darüber hinaus haben wir in diesem für uns sehr neuen Geschäftsfeld gerade im ersten Jahr noch einiges bei Vermarktung und Operations dazu gelernt, und lernen immer noch dazu. Unser Gesamtfazit im Moment ist daher zum jetzigen Zeitpunkt noch etwas verhalten“, so Streppelhoff. „Das weiterhin sehr positive Feedback der Endkonsumenten ermutigt uns aber, bei der Umsetzung dieser Markendehnung weiter sehr konsequent zu bleiben“.

Vier Erfolgsfaktoren der Markendehnung

„Unsere B2C-Neuheiten der letzten Jahrzehnte zeigen ganz klar, dass die Markennähe als Ausgangspunkt erfolgversprechender ist als die Produktnähe“, resümiert Thorsten Streppelhoff. „Daher werden wir diesen Weg weiter beschreiten.“ Aus den Erfahrungen mit der Entwicklung neuer, sortimentsfremder Produkte haben er und seine Kollegen vier Erfolgsfaktoren der Markendehnung abgeleitet: „An oberster Stelle steht der Brand-Fit. Ist der gegeben, sollte darüber hinaus eine Lücke im Wettbewerbsumfeld vorliegen. Der dritte Erfolgsfaktor ist die Flexibilität in der Umsetzung. Darunter versteht edding seine große Offenheit für alternative Geschäfts- und Partnermodelle, wie dies beispielsweise in einem kanalspezifischen Lizenzmodell für die kompatiblen Tinten-Patronen schnell und sehr erfolgreich umgesetzt wurde. Und last but not least ist der Mut zur Konsequenz entscheidend für den Erfolg. Wenn, dann richtig edding!“ So geht die Markendehnung bei edding weiter. Derzeit läuft die Machbarkeitsstudie zu einer edding Tattoo-Tinte!

Quelle: brandzeichen 2017

2023-09-11
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